Die Proteste gegen die Regierung Venezuelas eskalieren, die Zahl der Todesopfer steigt. Doch die Führung kann sich weiter halten: dank Freunden in Kuba, China, Russland – und sogar in den USA.
Es ist ein Strom, der nicht versiegt. Jeden Tag registrieren Kolumbiens Behörden die Ankunft von 50.000 Venezolanern in der Grenzstadt Cucutá. Und vermerken danach, dass 5000 davon nicht mehr zurückreisen. Lang war Venezuela Aufnahmeland für Vertriebene des kolumbianischen Bürgerkriegs. Heute lebt bereits eine halbe Million Venezolaner in Kolumbien. In Panama stellen die Flüchtlinge aus der Bolivarischen Republik fünf Prozent aller Einwohner. Die meisten Asylanträge in den USA werden inzwischen von Venezolanern gestellt, in Quito, Lima, Santiago und Buenos Aires ist der karibische Akzent zu hören.
Erst emigrierte die Mittelklasse, Techniker, Akademiker, Studenten. Inzwischen fliehen auch die Arbeiter aus dem Land, dessen Mindestlohn in Kolumbien gerade noch 20 Dollar wert ist. Der Grund für diesen Exodus ist offensichtlich: In Venezuela schwindet der Glauben an einen Wechsel. Seit zwölf Wochen protestiert Venezuelas Opposition, trotz Repression durch Nationalgarde und Polizei. Donnerstagabend wurde bei einer Demonstration in der Hauptstadt, Caracas, ein 22-Jähriger getötet. Damit steigt die Zahl der Toten bei Protesten und Straßenschlachten auf 75. Tausende Personen wurden verhaftet und zum Teil vor Militärgerichte gestellt.
Massenarmut der Bevölkerung
Aber Präsident Nicolás Maduro ist immer noch an der Macht. Obwohl das Bruttoinlandsprodukt von 2012 bis 2016 um 30 Prozent schrumpfte, die Preise im Vorjahr um 780 Prozent stiegen und 85 Prozent der Bevölkerung unter die Armutsgrenze rutschten. Und trotz 220 Milliarden Dollar Staatsschulden, für deren Bedienung allein 2017 etwa 20 Milliarden Dollar aufgebracht werden müssen. Gestützt auf das Militär, will Maduro am 30. Juli eine verfassunggebende Versammlung wählen lassen, mit dem Ziel, seine Macht zu zementieren. 85 Prozent der Venezolaner lehnen eine Verfassungsänderung ab, ergab eine Umfrage der Firma Dataanalisis. Aber das bremst Maduro nicht.