Niedrige Wahlbeteiligung und erste Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten

Themenbild: Wahl in Albanien
Themenbild: Wahl in Albanien(c) REUTERS (STRINGER)
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Am Sonntag stimmten Albaner über ein neues Parlament ab. Die zentrale Wahlkommission teilte am Sonntag gegen 15 Uhr mit, dass die Wahl im Großen und Ganzen ruhig verlief.

Tirana. Die albanischen Parlamentswahlen an diesem Sonntag verliefen nicht ganz ohne Schwierigkeiten: Eine Reihe von Wahllokalen öffnete verspätet; einige mussten später als 19 Uhr schließen. Zudem sprachen Parteikandidaten von vereinzelten Behinderungen ihrer Anhänger. Auffällig ist, dass vor allem die Partner der derzeitigen Regierungskoalition – die Sozialisten von Premier Edi Rama und die Sozialistische Bewegung für Integration des designierten Staatspräsidenten Ilir Meta – aufeinander losgingen. Meta sprach von „Banditen“ in Lezhe, die von der Polizei geschützt worden seien, parteinahe Medien zeigen einen verprügelten Funktionär. Zwischen den Großparteien hingegen, den Sozialisten und der konservativen Demokratischen Partei, war das Klima auffällig freundlich.

Die zentrale Wahlkommission teilte am Sonntag gegen 15 Uhr mit, dass die Wahl im Großen und Ganzen ruhig verlief. Die Sorge der Kommission galt allerdings der Wahlbeteiligung: Bis 13 Uhr hatte erst ein Viertel der Wahlberechtigten gewählt. Schon bei der letzten Wahl 2013 waren nur knapp mehr als die Hälfte der Berechtigten zur Wahl gegangen. Die niedrige Beteiligung hängt jedoch nur bedingt mit der Politikverdrossenheit der Albaner zusammen, sie hat auch viel mit dem Wahlsystem und den Wahlregistern zu tun: Laut OSZE sind 3,4 Millionen Wahlberechtigte registriert, doch im Land selbst leben zurzeit nur um die 2,9 Millionen Menschen. Briefwahl gibt es noch nicht im Land, die Masse der Emigranten – viel mehr als die halbe Million in den alten Wahlregistern – ist ausgeschlossen. Ministerpräsident Edi Rama jedenfalls rief die Bürger am Sonntag nochmals dazu auf, zur Wahl zu gehen.

Auch das Wahlprozedere ist hoffnungslos veraltet. Die Stimmen werden nicht in den Wahllokalen, sondern zentral per Hand ausgezählt. Gerade die Wahlreform ist daher einer der Kernpunkte der Lösungsvorschläge, auf die sich die Großparteien am 18. Mai geeinigt hatten. Ein weiterer wichtiger Punkt: ein Screening-Prozess für Richter, der die Bestechlichkeit einschränken soll. Zu viele Richter halten ihre Hand auf und zelebrieren einen Lebensstil, der weit über den Möglichkeiten ihres mageren Gehalts liegt. Das soll nun ein Ende haben.

Die Anhängerschaft der Großparteien war übrigens bisher klar geteilt: Der Süden mit den vorwiegend orthodoxen Christen und den zahlreichen Anhängern des muslimischen Ordens der Bektashi wählt sozialistisch, die Muslime des Nordens wählen die konservative Demokratische Partei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2017)

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