Deutschland: Die "Ehe für alle" kommt am Freitag

Der CDU geht es ein bisschen zu schnell. Angela Merkel hat mir ihrem Kurswechsel den Weg frei gemacht - auch für Finanzstaatssekretär Jens Spahn (li.), der für die "Ehe für alle" stimmen möchte.
Der CDU geht es ein bisschen zu schnell. Angela Merkel hat mir ihrem Kurswechsel den Weg frei gemacht - auch für Finanzstaatssekretär Jens Spahn (li.), der für die "Ehe für alle" stimmen möchte.APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
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SPD, Linke und Grüne setzten das Thema auf die Tagesordnung. Das widerstrebt selbst den Homo-Ehe-Befürwortern der Konservativen, die jedoch dafür stimmen werden.

Nach jahrelangem Gezerre um die "Ehefüralle" in Deutschland geht plötzlich alles ganz schnell. Das deutsche Parlament wird noch diese Woche über die Homo-Ehe entscheiden - gegen den Willen der CDU/CSU-Spitze. SPD, Linke und Grüne setzten am Mittwoch im Rechtsausschuss des Bundestages mit knapper Mehrheit durch, dass das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung des Parlaments kommt - am Freitag.

Ein solches rot-rot-grünes Votum gegen die Stimmen der Union ist ein bemerkenswerter Vorgang und bedeutet eine offene Konfrontation zwischen den Koalitionspartnern von CDU/CSU und SPD. Die Spitzen der Unions-Fraktion hatten sich gegen eine Abstimmung vor der Bundestagswahl im September ausgesprochen. Im Deutschen Bundestag gilt eine Mehrheit für die Ehefüralle als sicher, weil neben der SPD auch Linke und Grüne die vollständige Gleichstellung homosexueller Paare fordern. Für einen Erfolg des Gesetzes ist die Anzahl zustimmender Konservativer irrelevant.

Drei Entwürfe gibt es schon länger

Dem Parlament liegen bereits seit längerem drei Gesetzentwürfe für die uneingeschränkte Homo-Ehe vor - von Linken, Grünen und vom Bundesrat. Über den Antrag der Länderkammer soll nun abgestimmt werden. Die Große Koalition ist in der Frage gespalten und hat bisher eine Abstimmung dazu verhindert, indem sie das Thema im Rechtsausschuss 30 Mal vertagte.

Die jahrelange Debatte gewann plötzlich enorm an Tempo, nachdem Kanzlerin Angela Merkel am Montag überraschend vom klaren Nein der CDU in dieser Frage abgerückt war und öffentlich von einer Gewissensentscheidung gesprochen hatte. Die SPD nahm das zum Anlass, eine schnelle Parlamentsabstimmung durchzusetzen und die Union damit drei Monate vor der Bundestagswahl in die Enge zu treiben.

SPD, Linke und Grüne votierten im Rechtsausschuss geschlossen dafür, das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung des Parlaments zu hieven. Die Union stimmte im Ausschuss gegen das Vorhaben.

Die Unions-Spitze hatte sich gegen eine Abstimmung vor der Bundestagswahl gesperrt - und wirft der SPD wegen ihres Vorstoßes "Vertrauensbruch" vor.

CDU gespalten

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn - er lebst selbst in einer Beziehung mit einem Mann - beklagte ein Eiltempo bei dem Thema. Im ARD-"Morgenmagazin" kritisierte er, die Sozialdemokraten hielten sich nicht an die ursprüngliche Absprache der Koalition, zu dem Thema keine Beschlüsse zu fassen. Spahn bemängelte jedoch nur das Verfahren. In der Sache ist er dafür und kündigte an, für die Öffnung der Ehe zu stimmen.

Andere Unions-Politiker lehnen das Vorhaben dagegen vehement ab und haben bereits ein Nein bei der Abstimmung im Parlament in Aussicht gestellt - unter anderen Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU).

Oppermann will namentliche Abstimmung

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann kündigte an, bei der anstehenden Entscheidung im Bundestag eine namentliche Abstimmung zu beantragen, um offenzulegen, welche Abgeordneten hinter der Ehefüralle stehen.

Die CDU/CSU-Fraktion hat die Entscheidung zur Gewissensfrage erklärt. Damit entfällt der sogenannte Fraktionszwang, der Abgeordnete an eine vorgegebene Linie binden soll.

In Deutschland gibt es für schwule und lesbische Paare seit 2001 die Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen. In Österreich gibt es erst seit 2010 für homosexuelle Paare die Möglichkeit eine Partnerschaft eintragen zu lassen. Zunächst durfte sie nur bei den Bezirksverwaltungsbehörden begründet werden, seit April ist dies auch am Standesamt möglich. Die eingetragene Partnerschaft ist aber rechtlich nicht mit der Ehe gleichgesetzt.

(APA/dpa)

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