Terror auf dem Tempelberg

Die isarelische Polizei nahm den Großmufti von Jerusalem in Gewahrsam.
Die isarelische Polizei nahm den Großmufti von Jerusalem in Gewahrsam.APA/AFP/AHMAD GHARABLI
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Drei israelisch-arabische Attentäter erschossen zwei Polizisten in Jerusalem. Die Sicherheitskräfte nahmen daraufhin Großmufti Scheich Mohammed Hussein fest.

Jerusalem. Es war ein Stich ins politische und religiöse Herz des Nahost-Konflikts. Bei einem Anschlag auf dem Tempelberg starben zwei israelische Polizisten. Ein dritter trug leichte Verletzungen davon, als sich am frühen Freitagmorgen drei israelisch-arabische Attentäter mit Schusswaffen dem Plateau vor dem Felsendom näherten und das Feuer auf Sicherheitskräfte eröffneten. Die Polizei erschoss die Angreifer und sperrte anschließend die Zugänge zum Tempelberg ab. „Zentrales Ziel ist, die Lage zu beruhigen“, erklärte Gilad Erdan (Likud), Israels Minister für Innere Sicherheit und Strategische Angelegenheiten, vor Journalisten am Tatort.

Und dann fachten die israelischen Sicherheitskräfte den Zorn der Muslime an. Agenturberichten zufolge nahm die Polizei den Großmufti von Jerusalem, Scheich Mohammed Hussein, vorübergehend fest, der gegen die Sperrung des Tempelbergs protestiert hatte. Er kam am Abend wieder frei. Nach Angaben von Husseins Sohn ging es in der Befragung bei der Polizei um den Aufruf des Muftis an Muslime, nach Jerusalem zu kommen.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kündigte an, der Tempelberg werde bis Sonntag abgesperrt bleiben, danach solle eine Evaluierung der Sicherheitslage erfolgen. Jordanien forderte die "sofortige Wiedereröffnung" für muslimische Gläubige. Das jordanische Königshaus ist Hüter der heiligen muslimischen Stätten in Jerusalem.

Attentäter aus israelisch-arabischen Stadt Umm al-Fahm

UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte, die Vorfälle vom Freitag könnten "weiter Gewalt hervorrufen", alle Seiten müssten eine weitere Eskalation verhindern und "Verantwortung beweisen". Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas (Abu Mazen) verurteilte in einem Telefonat mit Netanyahu den Angriff auf die israelischen Polizisten. Die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA berichtete, Abbas habe "jede Gewalttat von jedweder Seite" zurückgewiesen. Netanyahu habe "alle Seiten zur Ruhe aufgefordert".

Die drei 19- bis 29-jährigen Attentäter kommen aus der israelisch-arabischen Stadt Umm al-Fahm und gehörten offenbar derselben Familie an. Bei den beiden tödlich verletzten Grenzpolizisten handelt es sich um Drusen, Anhänger einer Religionsgemeinschaft, die ihre Wurzeln im Islam hat. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas verurteilte das Attentat in einem Telefonat mit Israels Premier, Benjamin Netanjahu.

Attentäter kamen mit Schusswaffen

Der Anschlag fällt in dreierlei Hinsicht aus dem zuletzt üblichen Muster heraus: Die Täter waren israelische Staatsbürger, sie gingen zu dritt vor, und sie hatten Schusswaffen. In der Regel handelt es sich bei den Attentätern um Palästinenser, die als einsame Wölfe agieren und meist nicht anders als mit einem Messer oder ihrem Pkw bewaffnet sind. Der Streit um die Besuchsrechte auf dem Tempelberg hatte im Herbst vor drei Jahren eine Serie von Anschlägen ausgelöst.

Der seit dem Sechstagekrieg 1967 geltende Status quo räumt Juden und Muslimen Besuchsrechte ein, wobei nur Muslime auf dem Gelände auch beten dürfen. Israels Regierung betonte wiederholt, an der bestehenden Regelung nichts verändern zu wollen, während Aktivisten der rechtsradikalen Tempelberg-Initiative den Bau eines dritten jüdischen Tempels auf dem Areal propagieren. Laut Tageszeitung „Haaretz“ besteht die Befürchtung, dass die Schließung des Tempelbergs, die „unüblich“ sei, „zu neuer Anspannung führen kann“.

Gläubige Muslime hielten ihr Freitagsgebet vor dem gesperrten Gelände auf der Straße ab. Einer Mitteilung aus dem Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu zufolge sei die Sperre beschlossen worden, „um sicherzustellen, dass keine weiteren Waffen auf dem Tempelberg“ versteckt sind. Minister Erdan kritisierte die „Hetze“ der arabisch-israelischen Islamischen Bewegung, die einer Beruhigung der Lage „nicht dienlich ist“. Der Anschlag werde „keine politischen Folgen haben“, betonte Erdan. Nötig sei jedoch eine Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen auf dem Tempelberg. Mit dem Anschlag sei „eine rote Linie überschritten“ worden. Jetzt gelte es, „sicherzustellen, dass so etwas nicht mehr passiert“.

Sami Abu Zuhri, Sprecher der Hamas in Gaza, bezeichnete den Anschlag als „natürliche Reaktion auf israelischen Terror und die Schändung der al-Aqsa-Moschee“. Der Widerstand gegen die Besatzung werde vom gesamten „palästinensischen Volk unterstützt“.

HINTERGRUND

Der Tempelberg ist für Juden und Moslems gleichermaßen heilig. An diesem Ort stand der salomonische und danach der herodianische Tempel, die West- oder Klagemauer kündet davon. Auf dem Plateau oberhalb der Mauer befinden sich heute der Felsendom mit seiner goldenen Kuppel und gegenüber die al-Aqsa-Moschee, die drittwichtigste heilige Stätte des Islam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2017)

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