Europapolitiker wollen Polen EU-Stimmrecht entziehen

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Nach der Verabschiedung der umstrittenen Justizreform hagelt es Kritik von deutscher Seite. Die EU solle ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau einleiten. Auch der Leiter der ÖVP-Delegation, Othmar Karas, fordert eine Prüfung.

Wegen der umstrittenen Justizreformen in Polen fordern deutsche Europapolitiker, dem Land notfalls das Stimmrecht in der EU zu entziehen. Dazu solle die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahrens gegen die nationalkonservative Regierung in Warschau einleiten, forderten der Vorsitzende des Europaausschusses des Deutschen Bundestages, Gunther Krichbaum (CDU), und SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer.

"Es kann nicht sein, dass ein Land, das nicht einmal mehr die Rechtsstandards für die Aufnahme in die EU erfüllt, noch über EU-Angelegenheiten abstimmen darf", sagte Krichbaum der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Die deutsche Regierung aus CDU/CSU und SPD reagierte dagegen zurückhaltend.

Auch ÖVP-Delegationschef im EU-Parlament, Othmar Karas, forderte eine Prüfung der Warschauer Regierung durch die EU-Kommission. "Polen verlässt den Boden der Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und gemeinsamen EU-Werte."

Die polnische Regierung hatte in der Vorwoche mit der Mehrheit der Partei allein regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ein Gesetz durch das Parlament gebracht, mit dem alle Richter des Obersten Gerichts entlassen werden sollen. Der Justizminister soll die Posten neu besetzen. Die nationalkonservative Regierung hatte bereits mit einer umstrittenen Reform des Verfassungsgerichts Kritik in der EU ausgelöst; in dieser Causa ist bereits ein EU-Vertragsverletzungsverfahren anhängig. Am Sonntagabend demonstrierten Tausende in Polen gegen die Regierung, der sie die Gleichschaltung des Justizapparates vorwerfen.

Untergrabung von EU-Rechtsstandards

SPD-Fraktionsvize Schäfer forderte die EU-Kommission auf, ein Vertragsverletzungsverfahren zu eröffnen. Dieses könne letztlich auf einen Entzug des Stimmrechts bei EU-Entscheidungen hinauslaufen. Schäfer wies den Einwand zurück, dass das ebenfalls nationalkonservativ regierte und in Sachen Rechtsstaatlichkeit unter Beschuss stehende Ungarn eine solche Entscheidung am Ende blockieren könnte. "Ungarn ist bisher immer am Ende eingeknickt", sagte der SPD-Politiker zu Reuters. "Wir brauchen eine öffentliche Debatte über die Entwicklung in Polen, weil sie die in der EU geltenden Rechtsstandards untergräbt", sagte er. "Die Lage in Polen ist wirklich dramatisch", kritisierte auch der CDU-Politiker Krichbaum: "Das derzeitige Polen würde die EU-Aufnahmekriterien nicht erfüllen."

Die deutsche Regierung äußerte sich zurückhaltend. Das Prinzip der Gewaltenteilung in der Demokratie sei ein hohes Gut in der Union, auf das sich alle Staaten in der EU verpflichtet hätten, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Berlin. Sie hoffe, dass die Diskussionen zwischen polnischer Regierung und EU Ergebnisse bringen würden. Die Regierung unterstütze die EU-Kommission.

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