Der türkische Präsident fordert Deutschland auf, sich "zusammenzureißen". Premier Yildirim wies Sicherheitsbedenken zurück. Beide leugnen die Existenz einer schwarzen Liste deutscher Unternehmen.
Nach der Verschärfung der deutschen Reisehinweise für die Türkei hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan der Regierung in Berlin Drohgebärden gegen sein Land vorgeworfen. Deutschland mache der Türkei mit "Drohungen" keine Angst, sagte Erdogan am Freitag.
Deutschland müsse "sich zusammenreißen", betonte der Staatschef in einer Rede in Istanbul. So hätten Bemerkungen der deutschen Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries das Ziel, Unternehmen von Investitionen in seinem Land abzuhalten.
Yildirim fordert "Besonnenheit"
Ministerpräsident Binali Yildirim setzte hingegen eher auf Deeskalation im Streit mit Deutschland. "Mein Appell hier lautet, mit Besonnenheit zu handeln", sagte Yildirim am Freitag in Ankara. "Es bringt weder Deutschland noch der Türkei etwas, wenn die Beziehungen geschädigt werden." Er plädierte dafür, die Spannungen nicht weiter zu erhöhen.
"Unsere Regierung sieht Deutschland auch heute noch als einen strategischen Partner in Europa", sagte Yildirim. Er verwies auf die weit zurückreichenden bilateralen Beziehungen und auf die Waffenbrüderschaft zwischen dem Deutschen und dem Osmanischen Reich im Ersten Weltkrieg.
681 deutsche Unternehmen auf angeblicher Liste
Sowohl Yildirim als auch Erdogan stritten vehement ab, dass gegen deutsche Unternehmen in der Türkei im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen ermittelt werde. "Das ist gänzlich gelogen, so etwas gibt es nicht", sagte Yildirim. Die Tür stehe laut Erdogan auch deutschen Investoren weit offen. Der Präsident warf Deutschland allerdings erneut vor, "Terroristen" Unterschlupf zu gewähren.
Im Gegensatz zu den Aussagen Yildirims stehen neue Informationen aus deutschen Sicherheitskreisen. Demzufolge stünden sehr viel mehr Firmen aus der Bundesrepublik auf einer schwarzen Liste der Türkei als bisher bekannt. Die Türkei führe insgesamt 681 Unternehmen auf, die sie verdächtige, terroristische Organisationen zu unterstützen, sagte ein Insider am Freitag.
Bisher war lediglich die Zahl von 68 Unternehmen und Einzelpersonen bekannt, über die die "Zeit" diese Woche berichtet hatte. Die Angaben und Vorwürfe seien aber "wenig konkret", hieß es in den Sicherheitskreisen. Die Voraussetzungen für eine polizeiliche Bearbeitung seien daher nicht gegeben. Zuvor hatte das "Handelsblatt" über die weitaus höhere Zahl berichtet.
"Genau so sicher wie Deutschland"
Deutsche Sicherheitsbedenken wies der türkische Premier Yildirim zurück. Die Türkei sei genauso sicher wie Deutschland. Das deutsche Auswärtige Amt hatte am Donnerstag die Reisehinweise für die Türkei mitten in den Sommerferien verschärft. Es werden nicht mehr nur Gruppen wie Journalisten, sondern alle Deutschen gewarnt, dass sie unter dem Verdacht der Unterstützung von Terrororganisationen verhaftet werden könnten.
Yildirim rief Deutschland zudem erneut auf, gegen Unterstützer der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und das Netzwerk des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen vorzugehen. Die Türkei macht Gülen für den Putschversuch vor einem Jahr verantwortlich. Yildirim ist formell Regierungschef. Tatsächlich bestimmt aber Staatspräsident Erdogan den Kurs in Ankara.
(APA/dpa/Reuters)