Hahn über Türkei: "Reaktion Deutschlands ist verständlich"

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Der Erweiterungskommissar kritisiert das türkische Vorgehen gegen Kritiker als "inakzeptabel". Der deutsche Außenminister beschwichtigt die deutsch-türkische Community.

Die harte Linie der deutschen Regierung gegenüber der Türkei als Reaktion auf die Inhaftierung von Menschenrechtlern und Journalisten findet Unterstützung in der EU-Kommission. "Die Reaktion Deutschlands ist verständlich", sagte der Erweiterungskommissar Johannes Hahn der "Welt" (Samstag). Europa habe große Geduld mit der Türkei bewiesen, doch scheine sie das nicht wertzuschätzen.

Zugleich warf Hahn dem EU-Beitrittskandidaten Türkei vor, sich von rechtsstaatlichen Grundsätzen zu entfernen. "Die jüngste Verhaftung von Menschenrechtsaktivisten bestätigt leider den destruktiven Kurs, den die Türkei seit dem vereitelten Putschversuch, den wir aufs Schärfste verurteilt haben, fährt. Trotz gegenteiliger Rhetorik bewegt sie sich de facto immer weiter weg von europäischen Standards." Hahn sagte weiter, dass die Verhaftung von Menschenrechtsaktivisten, bewährten Partnern der EU, von Journalisten, Akademikern, Richtern, Staatsbediensteten und Oppositionellen unter "dubiosen Vorhaltungen" inakzeptabel sei. "Die Zeit des Hinhaltens ist vorbei", sagte Hahn.

Gabriel: "Gehören zu uns - mit oder ohne deutschen Pass"

Ungeachtet des Streits zwischen den Regierungen in Berlin und Ankara hat der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel den in Deutschland lebenden Türken jedoch am Samstag seine Wertschätzung signalisiert. Die angekündigte Neuausrichtung der deutschen Türkei-Politik richte sich weder gegen die Menschen in der Türkei noch gegen jene mit türkischen Wurzeln in Deutschland, schrieb der SPD-Politiker in einem offenen Brief.

Die "Bild"-Zeitung will den Brief am Samstag in deutscher und türkischer Sprache veröffentlichen. "Gleichgültig, wie schwierig die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind, bleibt für uns klar: Sie, die türkischstämmigen Menschen in Deutschland, gehören zu uns - ob mit oder ohne deutschen Pass."

Gabriel betonte erneut, die deutsche Bundesregierung könne der Verhaftung deutscher Staatsbürger nicht tatenlos zusehen. Er hatte am Donnerstag als Reaktion auf die Verhaftung des Menschenrechtlers Peter Steudtner und anderer Deutscher eine "Neuausrichtung" der deutschen Politik gegenüber der Türkei angekündigt.

Maas: "Kein Druckmittel ausschließen"

Das Auswärtige Amt verschärfte seine Reisehinweise für das beliebte Urlaubsland. Außerdem stellt Deutschland die staatliche Absicherung von Türkei-Geschäften der deutschen Wirtschaft durch sogenannte Hermes-Bürgschaften auf den Prüfstand. Auch sollten Investitionskredite, Wirtschaftshilfen und die EU-Vorbeitrittshilfen überdacht werden, sagte Gabriel.

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte die Bundesregierung vor einem nationalen Alleingang. Der schärfere Kurs gegenüber Ankara sei richtig, um klar Eskalationsstufen aufzuzeigen und glaubwürdig zu bleiben. "Es sollte aber europäische Lösungen geben", sagte Fratzscher der Deutschen Presse-Agentur. "Die Bundesregierung sollte auf Brüssel zugehen und auf eine gemeinsame Antwort dringen."

Aus Sicht des DIW-Chefs könnten am Ende auch schärfere Schritte bis hin zu Sanktionen gegen die Türkei ein richtiger Weg sein. "Man kann nicht immer nur reden, sondern man muss auch zeigen, dass man handelt", sagte Fratzscher. "Man muss gewillt sein, genauso weit zu gehen wie mit den Handelssanktionen gegen Russland." Aber dies müsse auf europäischer Ebene erfolgen.

Ähnlich äußerte sich der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD): "Wir sollten kein Druckmittel ausschließen", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Auch Europa sollte auf die Provokationen von Herrn Erdogan möglichst geschlossen reagieren."

(APA/dpa)

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