Der Wall-Street-Fighter im Weißen Haus

Sarah Huckabee Sanders lässt Anthony Scaramucci den Vortritt.
Sarah Huckabee Sanders lässt Anthony Scaramucci den Vortritt.imago/ZUMA Press
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Sean Spicers Abgang als Pressesprecher war überfällig. Mit der Berufung Anthony Scaramuccis alias „The Mooch“ zum Kommunikationschef hofft Donald Trump, Ruhe in die Medienfront zu bringen und das interne Chaos zu beenden.

Wie so oft in den vergangenen Wochen war der Protagonist abgetaucht, wie verschluckt in den Fluren und Zimmerschluchten im West Wing des Weißen Hauses. Zu oft hatte der Präsident seinen überforderten Pressesprecher brüskiert, sich öffentlich über seine Auftritte und seinen Stil beklagt, via Twitter seine Kommentare korrigiert und konterkariert. Schon der Einstand war ein Fiasko, als Sean Spicer im Auftrag seines Chefs von einer Rekordzuseherzahl bei der Amtsangelobung fabulierte. Die ultimative Demütigung wollte der Marineoffizier der Reserve und getreue republikanische Parteisoldat nun aber nicht auf sich nehmen und selbst auch noch seinen Rücktritt nach bloß einem halben Jahr auf dem Schleudersitz verkünden, den am Freitag die „New York Times“ in die Welt hinausposaunt hatte.

Dies überließ er Sarah Huckabee Sanders und Anthony Scaramucci, seinen Nachfolgern als Sprachrohre Donald Trumps, die den unmöglichsten und undankbarsten Job in Washington übernahmen. Es gebe ohnedies bereits zu viele Köche, ließ der 45-jährige Spicer verlauten – und meinte damit das Weiße Haus, das unter Donald Trump zu einem Ort der Intrigen und Kabalen geworden ist, zu einem Tollhaus, wo alles um das übergroße Ego des Präsidenten kreist. Dass es Spicer nicht schaffte, positive Nachrichten zu verbreiten, dass er ein ums andere Mal Fauxpas beging und dass er nebenbei zur Kultfigur avancierte, zugleich akklamiert und verhöhnt – dies beobachtete Donald Trump im Oval Office mit wachsendem Ingrimm. Oft verfolgte er die Pressekonferenzen Spicers und verteilte hinterher Zensuren.


Versuch eines Neustarts. Die schlechte Presse, die ständigen Enthüllungen über die angebliche Russland-Connection, über die Querelen und die Machtkämpfe im innersten Zirkel trieben Trump auf die Palme. Von allen Seiten bedrängt, gepeinigt von den Verwicklungen seines Justizministers, Jeff Sessions, seines Schwiegersohns Jared Kushner und seines Sohns Don in die Russland-Affäre und von den Untersuchungen des Sonderermittlers Robert Mueller, bedroht vom Scheitern der Rücknahme der Gesundheitsreform Barack Obamas, beschloss der Präsident, dem Chaos ein Ende zu setzen. Der Rücktritt des in Ungnade gefallenen Pressesprechers soll einen Neustart markieren.

Lang schon hatte Trump einen geeigneten Spitzenjob für seinen Vertrauten Anthony Scaramucci gesucht, einen New Yorker Wall-Street-Manager mit Harvard-Abschluss und Erfahrung als Moderator einer Fox-Business-Sendung, der Obama einmal in Bedrängnis gebracht hatte. Als kantiger Wettkampftyp, als Straßenkämpfer im Businesslook ist er ein Mann nach dem Geschmack des Präsidenten. „The Italian Kid“, so nennt er den Sohn einer italoamerikanischen Familie aus Long Island. Unter Freunden – darunter Don junior – firmiert Scaramucci indessen als „The Mooch“. George W. Bush bezeichnete ihn, offenkundig wegen seines Modestils, als „Gucci Scaramucci“.

Der alerte 53-Jährige, ein ehemaliger Goldman-Sachs-Banker und Investor, hat sich im Fernsehen oft eloquent für Trump in die Bresche geworfen. Dabei hatte Scaramucci sich im Wahlkampf der Republikaner erst den Trump-Gegnern Scott Walker und Jeb Bush angedient. Stabschef Reince Priebus, Chefstratege Stephen Bannon und nicht zuletzt Sean Spicer sprachen sich auch gegen eine Nominierung Scaramuccis für eine Schlüsselposition aus. Er war als Botschafter bei der OECD in Paris im Gespräch, trat beim Weltwirtschaftsforum in Davos als Propagandist Trumps auf und landete schließlich als Vizechef bei der Export-Import-Bank in Washington. Erst als er seine Anteile am Hedgefonds Sky Bridge Capital an eine chinesische Firma verkaufte und sich Jared Kushner für ihn einsetzte, gaben Priebus und Co. den Widerstand auf.

Die Pressekonferenz im Weißen Haus inszenierte der neue Mann als „Mooch-Show“: Freundlich im Ton, aber aggressiv in der Sache, stellte er sich den Reporterfragen. Überschwänglich pries er den Präsidenten, der Lob und Loyalität über alles schätzt. „Der Präsident ist ein Gewinner“, sagte er. Er selbst charakterisierte sich als „Teamplayer“ und als „effektiven Kommunikator“. Seine Mission sei es, Spannungen abzubauen und die krasse Kluft zwischen der Eigenwahrnehmung der Regierung angesichts ihrer vermeintlichen Erfolgsbilanz und der medialen Einschätzung zu schmälern.

Anthony Scaramucci hat sich führwahr viel vorgenommen. Als Marketingprofi hat er tatsächlich einen überzeugenden Auftritt hingelegt. Knifflige, insistierende Fragen, Spitzfindigkeiten ließ er mit dem Hinweis, er sei ja noch ein Newcomer, abperlen. Seine Aufgabe besteht allerdings ohnehin eher darin, sich um die Koordination zu kümmern–und vor allem darum, dass weniger Insidergeschichten und Enthüllungen aus dem Weißen Haus nach außen dringen. Sarah Huckabee Sanders dagegen wird sich in der diplomatischen Kunst üben, möglichst wenig zu sagen.

Scaramucci wird seinen neuen Job erst im August antreten, und bis dahin wird Washington nicht zur Ruhe kommen. Das Drama rund um Trump und das Weiße Haus geht weiter, die Sommerpause droht heuer angesichts immer neuer Enthüllungen und Vorladungen von hochrangigen Mitarbeitern in der Russland-Causa zu entfallen. Auf der Gegenseite schlägt das Weiße Haus zurück. Es versucht nach Kräften, die Untersuchungen des Sonderermittlers Robert Mueller zu diskreditieren.

Mittendrin wird auch Sean Spicer seine Abschiedsvorstellung im Weißen Haus geben, und die Ovationen sind ihm schon jetzt gewiss – als jener Pressesprecher, der es zu zweifelhafter Berühmtheit und Hollywood-Glamour gebracht hat. Als möglicher künftiger TV-Analytiker wird er seine Popularität und seine Insiderkenntnisse versilbern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2017)

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