Schweden: Datenskandal löst Regierungskrise aus

Schwedens Premier, Stefan Löfven.
Schwedens Premier, Stefan Löfven.(c) REUTERS
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Wegen eines umfassenden Datenlecks bei der Transportbehörde müssen Innenminister Anders Ygeman und Infrastrukturministerin Anna Johansson gehen. Die Zukunft von Verteidigungsminister Peter Hultqvist ist ungewiss.

Stockholm. Ein umfassendes Datenleck bei der Transportbehörde hat Schwedens rot-grüne Minderheitsregierung in eine tiefe Krise gestürzt. Am Donnerstag hat der sozialdemokratische Ministerpräsident, Stefan Löfven, eine Kabinettsumbildung bekannt gegeben. Die beiden zuständigen Minister, Innenminister Anders Ygeman und Infrastrukturministerin Anna Johansson, treten zurück. Von der Verwicklung seiner beiden Parteifreunde in den Datenskandal zeigte sich Löfven allerdings nicht überzeugt.

Schwedens Ministerpräsident reagierte damit notgedrungen auf die Ankündigung der bürgerlichen Opposition vom Mittwoch, zusammen mit den rechtspopulistischen Schwedendemokraten ein mehrheitsfähiges Misstrauensvotum gegen diese Minister im Parlament einzubringen. Die Opposition forderte dabei eigentlich auch den Rücktritt von Verteidigungsminister Peter Hultqvist. Unklar blieb am Donnerstag, ob sie sich mit dem Teilsieg zufriedengibt oder trotzdem ein Misstrauensvotum gegen den im Amt bleibenden Hultqvist stellen wird. Wahrscheinlich sei, dass er demnächst auch gehen müsse, schätzten Kommentatoren am Donnerstag. Es sei „unseriös“, Hultqvist eine Verwicklung in den Datenskandal zu unterstellen, befand dahingegen Löfven.

Der Datenskandal ist höchst verwickelt und reicht bis in die Regierungszeit der bürgerlichen Parteien zurück. Die hatten 2011 entschieden, dass das Management des schwedischen Führerschein- und Fahrzeugregisters beim Transportamt zur Kostensenkung an private Anbieter ausgelagert werden sollte. 2015, als die rot-grüne Regierung bereits amtierte, ging der Großauftrag an den US-Konzern IBM. In der Datenmenge sind neben Informationen aller Führerscheininhaber samt deren Fotos auch alle registrierten Fahrzeuge enthalten. Laut dem Sender SVT gehört dazu auch ein Teil der Militär- und Polizeifahrzeuge.

Die Chefin der Transportbehörde, Maria Ågren, hatte im Mai 2015 gegen interne Behördenkritik nahezu sämtliche Sicherheitsrichtlinien bei der Übergabe dieser Datenbanken an IBM ignoriert. So sollte das Ganze schneller über die Bühne gehen. IBM entschied sich dann auch noch, das Management der Daten an Drittanbieter in Tschechien und anderen Ländern auszulagern. Plötzlich hatten völlig unkontrollierte IT-Arbeiter im osteuropäischen Ausland Zugang zu sämtlichen Daten aus Schweden.

Darunter waren laut Medienberichten auch Wohnanschriften von Bürgern, die als gefährdet gelten und deshalb geheime Adressen haben. Auch wenn bisher kein Missbrauch festgestellt wurde, handelt es sich um das größte Leck von staatlichen schwedischen Daten seit Jahrzehnten. Die Öffentlichkeit wurde zweieinhalb Jahre nicht informiert.

„Reichssicherheit“ gefährdet

Schwedens Sicherheitspolizei, Säpo, forderte im November 2015 die Behörde auf, die Auslagerung der sensiblen Daten abzubrechen, weil die „Reichssicherheit“ gefährdet sei. Behördenchefin Ågren ignorierte das. Im Jänner 2016 wurde gegen sie eine Voruntersuchung wegen Fahrlässigkeit eingeleitet. Im Jänner 2017 trat Ågren dann ohne Angabe von Gründen zurück. Anfang Juli wurde bekannt, dass sie wegen Fahrlässigkeit zu einem Bußgeld von 70.000 Kronen (7300 Euro) verurteilt wurde.

Die Öffentlichkeit bekam also Wind vom Datenskandal, und die Frage stellte sich, wie viel die seit dem Herbst 2014 amtierende, rot-grüne Regierung wusste, ohne die Öffentlichkeit oder zumindest den zuständigen Parlamentsausschuss zu informieren. Ministerpräsident Löfven räumte kürzlich ein, seit Jänner informiert gewesen zu sein. Die abgetretene Ministerin Johansson sagte, dass ihre Mitarbeiter schon vor einem Jahr Bescheid gewusst, sie aber nicht informiert hätten. Innenminister Ygeman gab kürzlich zu, schon früher davon gewusst zu haben. Wann genau, will er nicht sagen. Der bisher noch nicht zurückgetretene Verteidigungsminister verneint jegliches Wissen. Die Transportbehörde habe nichts mit seinem Ressort zu tun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2017)

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