Kolumbien: "Adios zu den Waffen der Farc"

APA/AFP/Colombian Presidency/NEL
  • Drucken

Am Dienstag übergeben die Rebellen die letzten Waffen und beenden damit einen jahrzehntelangen Konflikt. Nun gilt es, den Frieden in die Bevölkerung zu bringen.

Er wurde angefeindet, ist aber Etappe für Etappe seinen Weg gegangen. Nun steht Juan Manuel Santos in einem staubigen Camp nahe der Grenze zu Venezuela und sagt umgeben von Soldaten: "Das ist ein wirklich historischer Tag, heute haben wir Adios gesagt zu den Waffen der Farc." Kolumbien werde nun "ein Land des Friedens".

Präsident Santos schließt symbolisch den letzen Container mit den von den Vereinten Nationen eingesammelten Gewehren und dem Sprengstoff ab. Dann winkt er dem mit dem Container beladenen Sattelschlepper zu.

Mit diesem 15. August 2017 erklärt der Friedensnobelpreisträger den blutigen Konflikt mit den "Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia" (Farc), den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens endgültig für beendet. Anschließend fährt der letzte weiße Container mit den großen schwarzen Buchstraben "UN" für die Vereinte Nationen davon.

Anfang des Jahres sammelten sich die 6803 Kämpfer in 26 sogenannten Friedenszonen, die von Militär und UN bewacht wurden. Das Ende wurde nun in Fonseca ganz im Norden besiegelt. In der Nähe ist der größte Kohletagebau Lateinamerikas, von hier geht auch viel Steinkohle für Kraftwerke nach Europa. Die Farc verübte Dutzende Anschläge auf die Bahnstrecke, die die Kohle zum Hafen an der Karibikküste bringt.

Auslandsinvestitionen gestiegen

Das ist passé. 8100 Gewehre wurden in den Camps eingesammelt, zudem gaben die Rebellen Auskunft über 873 Waffendepots in ihren früheren Kampfgebieten, wie der Chef der UN-Mission, Jean Arnault, berichtet. Dort wurden weitere 790 Waffen, 293.000 Patronen, 22 Tonnen Sprengstoff, 3957 Granaten und 1846 Antipersonenminen gefunden.

Das zeigt, was erreicht wurde. Nicht umsonst geben sich Staats- und Regierungschefs aus aller Welt die Türschnalle in die Hand. Während Venezuela Richtung Diktatur und Pleite taumelt, gilt das Nachbarland Kolumbien als "Tigerstaat" - muss aber plötzlich eine Flüchtlingskrise bewältigen, über 140.000 Venezolaner leben bereits illegal im Land.

"Jetzt können wir Zonen des Landes entwickeln, die wir nie entwickeln konnten", sagt Santos. Es waren Gebiete ohne staatliche Strukturen in Händen der Guerilla, die kräftig am Kokainhandel und an Schutzgeldern verdiente. 2016 stiegen bereits die Auslandsinvestitionen um 16 Prozent auf 13,59 Milliarden US-Dollar (11,57 Mrd. Euro), Platz drei hinter Brasilien und Mexiko in Lateinamerika. Das Wachstum steigt, um 9,5 Prozent seit 2014. Erstmals kamen 2016 über fünf Millionen Touristen, Kolumbien mit viel Natur und der Karibikküste ist eines der schönsten Länder.

Die FARC, 1964 entstanden aus der Unterstützung von Bauern, die Land besetzt hatten, wollen ihre Ziele ab September nun als Partei politisch durchsetzen - ihnen werden zunächst zehn Kongresssitze garantiert. 1984 versuchte man mit der Partei Union Patriotica (UP) schon einmal Ziele wie eine bessere Unterstützung der Landbevölkerung durchzusetzen. Rechte Paramilitärs töteten aber Tausende Anhänger und Politiker der UP - der Kampf im Untergrund wurde danach verschärft.

Vergeltungstaten an Rebellen verhindern

Das ist auch jetzt das Fragile an diesem Frieden. Wie können Vergeltungstaten gegen Ex-Guerilleros verhindert werden? Und es gibt viel Kritik, dass der Staat nicht längst die Polizeipräsenz in den von der Farc aufgegebenen Gebieten verstärkt hat, neue Schulen und Straßen baut, Unternehmen ansiedelt, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Es häufen sich die Berichte, dass das Vakuum kriminelle Banden und die kleine, weiter kämpfende ELN-Guerilla füllen. Auch gibt es mehrere hundert Farc-Dissidenten, die weiterkämpfen wollen.

Santos wird 2018 abtreten, sein Chefunterhändler für den Vertrag mit der Farc-Guerilla, Humberto de la Calle, will ihn beerben. Aber das Lager des rechtskonservativen Ex-Präsidenten Alvaro Uribe, der das Abkommen erbittert bekämpft, will das verhindern. Man muss wissen: Die Farc wird für den Mord an Uribes Vater verantwortlich gemacht.

Um den Friedensprozess, die Aussöhnung von Tätern und Opfern zu unterstützen, besucht Papst Franziskus im September das Land. Denn in Zeiten von Syrienkrieg, Flucht und Elend wurde hier ein "Beispiel für die Welt" geschaffen, wie der FARC-Unterhändler Luciano Marin betont.

Schlechte Arbeitsperspektiven für Ex-Guerilleros

Fast vier Jahre Verhandlungen in Kuba. Ein Referendum, in dem das Volk knapp "No" sagt zu dem Abkommen. Vor allem die Sonderjustiz stößt auf Widerstand, wonach auch für schwere Verbrechen nur maximal acht Jahre Freiheitsstrafe verhängt werden sollen; in der Regel zu verbüßen im Arrest auf ländlichen Farmen. Dann Nachverhandlungen. Das Volk wird nicht mehr gefragt: der Kongress sagt "Si" zum Abkommen.

Über 220.000 Menschen fielen seit 1964 dem längsten Konflikt der westlichen Hemisphäre zwischen Guerilla, Streitkräften und rechten Paramilitärs zum Opfer. Zuletzt starben kaum noch Menschen durch Landminen, Zehntausende Flüchtlinge konnten in ihre Dörfer zurück.

Doch der Staat tut sich schwer, es fehlen Arbeitsperspektiven für Ex-Guerilleros. Und der Koka-Anbau ist drastisch gestiegen, weil der Staat die früheren FARC-Gebiete noch nicht unter Kontrolle hat. Ein schöner Nebeneffekt des Friedens: Über 120 Guerilleras wurden seit 2016 schwanger. In den Camps wurden Windeln gewechselt, Babygeschrei statt Gewehrsalven. In Kolumbien gibt es für den Nachwuchs schon einen Namen: "Los ninos de la paz" (die Kinder des Friedens).

(APA/dpa/Georg Ismar)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Einen Monat später als ursprünglich vorgesehen haben die Rebellen der Farc ihre Waffen an die Vereinten Nationen übergeben.
Außenpolitik

Kolumbien: Ein steiniger Weg zum Frieden

Die Farc-Guerilleros haben am Dienstag offiziell ihre letzten Waffen abgegeben. Doch der Friedensprozess verläuft schleppend. Andere Milizen nehmen frühere Farc-Gebiete in Besitz.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.