Wie der Bürgerkrieg die Südstaaten noch heute spaltet

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Der Konflikt in Charlottesville zeigt, wie präsent die Ideale und Konflikte des amerikanischen Bürgerkriegs auch heute noch sind. Konföderierten-Denkmäler werden zum Symbol der Kluften.

Die Kräne und Laster kamen am frühen Morgen. Sie sollten kein Aufsehen erregen. Trotzdem versammelten sich ein paar hundert Menschen in dieser Nacht in New Orleans, um den Abbau der Statue von Konföderierten-Präsident Jefferson Davis zu begleiten - die einen mit Applaus und Jubelrufen, die anderen mit trotzigen Gesängen und Fahnen.

Szenen wie diese spielen sich seit Monaten in vielen US-Städten ab. In den ehemaligen Südstaaten ist ein heftiger Streit über den Umgang mit Konföderierten-Denkmälern entbrannt. In Charlottesville (Virginia) eskalierte am Wochenende eine Kundgebung von Rechtsextremisten blutig. Anlass der Demonstration war ein Stadtratsbeschluss, eine Statue des Konföderierten-Generals Robert E. Lee aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-65) zu entfernen.

Der Konflikt zeigt, wie präsent die Ideale und Konflikte des Bürgerkriegs südlich der Linie von Texas bis Virginia immer noch sind: Die einen sind stolz auf ihre rebellische Vergangenheit, die anderen wollen jede öffentliche Erinnerung an die Zeit von Sklaverei und Diskriminierung loswerden. Doch das ist nicht so leicht.

Nach Angaben des Southern Poverty Law Center (SPLC), einer 1971 gegründeten Bürgerrechtsorganisation, wurden auf öffentlichem US-Grund nach dem Bürgerkrieg mindestens 1503 Denkmäler zu Ehren der Konföderation errichtet. Dazu zählen Statuen, Monumente, Flaggen, aber auch Schulen, Städte und Brücken. In sechs Bundesstaaten gibt es sogar Konföderierten-Feiertage.

Sorge um eine "schwarze" Weltherrschaft

Laut SPLC wurden die meisten dieser Denkmäler zwischen Kriegsende 1865 und den 1920er-Jahren aufgestellt, oft war der rassistische Ku-Klux-Klan daran beteiligt. Zwischen 1950 und 1960, als die Bürgerrechtsbewegung gegen die unfaire Behandlung von Schwarzen ankämpfte, gab es laut SPLC eine zweite Denkmalwelle.

Für die schwarze Bevölkerung, die in vielen Städten im Süden die Mehrheit stellt, sind die Monumente eine andauernde Provokation - wurden sie doch zu Ehren von Männern errichtet, die sich für die Versklavung ihrer Vorfahren einsetzten. Aktivisten und Historiker fordern seit Jahren, dass die Denkmäler abgebaut oder in den richtigen Kontext gerückt werden.

Bewegung kam in die Sache erst, als der 21 Jahre alte Dylan Roof am 17. Juni 2015 in einer Kirche in Charleston (South Carolina) neun dunkelhäutige Menschen erschoss. Roof sagte nach seiner Festnahme, er habe gefürchtet, dass "Schwarze die Welt übernehmen" - und deshalb einen "Rassenkrieg" anzetteln wollen. Auf Fotos von seiner Webseite posierte er mit einer Konföderiertenflagge.

Der Senat von South Carolina reagierte - und entschied knapp einen Monat später, die Konföderiertenflagge am Kapitol in der Hauptstadt Columbia einzuholen. Sie hatte seit 1962 auf dem Gelände geweht. Vor der Abstimmung erhielten einige Abgeordnete Berichten zufolge Morddrohungen. Von beiden Seiten.

Legende der "verlorenen Sache"

Im Dezember 2015 stimmte der Stadtrat von New Orleans dafür, vier Bürgerkriegsdenkmäler entfernen zu lassen. Eineinhalb Jahre später setzte die Stadt den Abbau-Plan um. Mitte Mai wurde das letzte Monument abtransportiert, ebenfalls eine Lee-Statue wie in Charlottesville.

Lee führte als einer der Generäle die Konföderierten-Armee in den Krieg gegen die Union. Bürgermeister Mitch Landrieu sagte, die Konföderation habe "auf der falschen Seite der Geschichte und der Menschheit gestanden". Man dürfe das, was passiert sei, zwar niemals vergessen, es aber auch nicht "auf ein Podest stellen".

Genau hier liege das Problem, sagen die Professoren Blain Roberts und Ethan J. Kytle von der Fresno State University in Kalifornien, die zum Thema Sklaverei während des Bürgerkriegs forschen. In den ehemaligen Südstaaten sei die Legende der "verlorenen Sache" immer noch populär. Demnach hätten die Konföderierten die Union damals nicht im Streit um die Sklavenfrage verlassen, sondern "um für noble Ziele zu kämpfen: die Rechte der Bundesstaaten, niedrige Steuern, persönliche Freiheit", erklärt Roberts. Natürlich sei das falsch, aber viele Menschen glaubten immer noch daran und seien stolz auf den Mut ihrer Vorfahren.

Die Monumente verschwinden daher nicht sang- und klanglos. Bei einer Demonstration anlässlich des Abbaus einer Davis-Statue gingen im Mai in New Orleans Dutzende Nationalisten auf etwa 700 Abbau-Befürworter los. Drei Angreifer wurden festgenommen. Zu der Demonstration aufgerufen hatte das Bündnis "Take 'Em Down Nola". Sein Ziel: Denkmäler zu Ehren der Konföderation aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. Das Bündnis sieht in ihnen Symbole für die Unterdrückung von Schwarzen und ein generelles weißes Überlegenheitsgefühl. Dieses Gefühl sei in Städten wie New Orleans auch heute noch vorherrschend und münde in Diskriminierung und Mord.

Entfernung der Statuen wie "kulturelle Säuberung"

Ein Nachtmarsch von Nationalisten in Charlottesville sorgte zuletzt ebenfalls für Aufregung. Foto- und Filmaufnahmen zeigten Dutzende Menschen mit Fackeln in der Hand. Mit nationalistischen Drohparolen protestierten auch sie gegen den Abbau einer Lee-Statue. Die drei Stadträte, die für das Entfernen des Denkmals gestimmt hatten, erhielten Morddrohungen. Wie Stadtrat Bob Fenwick bestätigte, hatten ihn Unbekannte rassistisch beschimpft und ihm mit Lynchjustiz gedroht.

Unter den Gegnern des Abbaus der Denkmäler ist zum Beispiel die 1994 gegründete "League of the South". Ihr Präsident Michael Hill sagte der dpa, das Entfernen der Konföderierten-Statuen käme einer "kulturellen und ethnischen Säuberung" gleich. Er und seine Anhänger glauben, dass mit den Statuen auch ihre persönliche Existenz bedroht sei. Eine genaue Anhängerzahl wollte Hill nicht nennen.

Die "League of the South" hat sich laut Hill dem "Überleben, Wohlergehen und der Unabhängigkeit der (weißen) Menschen aus dem Süden" verschrieben. Rassistisch sei das nicht, sondern der Ausdruck einer "gesunden Liebe zum eigenen Volk und zur eigenen Kultur".

Gesetze gegen den Abbau

Als Reaktion auf das Entfernen der Denkmäler in New Orleans verabschiedete das Repräsentantenhaus von Louisiana - der Bundesstaat, in dem New Orleans liegt - Mitte Mai einen Gesetzentwurf gegen den Abbau weiterer Monumente. Demnach darf kein öffentliches Denkmal, das zu Ehren von Soldaten, Kriegen oder des Militärs errichtet wurde, "verändert, abgebaut, verlegt, zerstört, umgewidmet oder umbenannt werden" - es sei denn, es gibt vorher eine offizielle Abstimmung. Dunkelhäutige Abgeordnete verließen aus Protest den Saal. Ein ähnliches Gesetz ist in South Carolina, Tennessee, Georgia und Mississippi in Kraft.

Gibt es im Umgang mit den Konföderierten-Denkmälern überhaupt einen richtigen Weg? Ja, sagen die Professoren Roberts und Kytle. Ihrer Meinung nach könnten die Monumente durchaus bestehen bleiben - allerdings nur dann, wenn sie zum Beispiel mit Gedenktafeln in den richtigen Kontext gerückt würden. Zwar sei auch ein ersatzloser Abbau möglich, so die Professoren. Besser wäre jedoch eine andere Variante, sagte Roberts: Anstelle der Konföderierten-Denkmäler andere Denkmäler aufzustellen, die "die komplizierte und oft schmerzhafte ethnische Geschichte der Region besser spiegeln".

(APA/dpa/Miriam Kraus)

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