Barcelonas Terrorlenker getötet

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Die Polizei hat den Attentäter aufgespürt und nach dessen Widerstand gegen die Verhaftung erschossen. Die Terroristenzelle hatte offenbar auch die Sagrada Família im Visier.

Barcelona. Als er am Montagnachmittag entdeckt wurde, trug Younes Abouyaaquoub noch das gleich blau-weiß gestreifte Polohemd, das er auch am Tag des Attentats vor vier Tagen in Barcelona am Körper hatte. Eine Dorfbewohnerin erkannte ihn in der Nähe des nordspanischen Ortes Subirats, als er sich den Häusern ihres Dorfes nähern wollte. Die Frau alarmierte per Handy die Polizei, die schon seit Tagen die ganze Umgebung Barcelona durchkämmte und mit schwerbewaffneten Kräften in der Nähe war.

Als die Beamten am Ort eintrafen, fanden sie den meistgesuchten Terroristen Europas in der Nähe einer Tankstelle am Rande der Landstraße C-243 b. Der 22-jährige Extremist trug einen Sprenggürtel am Körper. Er schrie beim Auftauchen der Beamten „Allah ist groß“ und drohte, sich in die Luft zu sprengen. Daraufhin eröffneten die Polizisten das Feuer und erschossen den Terroristen. Da zunächst nicht klar war, ob der Sprenggürtel echt war, wurden Sprengstoffexperten angefordert, um den Gürtel zu untersuchen und zu entfernen. Später stellte sich heraus, dass der Gürtel eine Attrappe war. Der Ort Subirats, wo die tagelange Verfolgung des Terrorfahrers von Barcelona zu Ende ging, liegt rund 50 Kilometer von der katalanischen Hauptstadt Barcelona entfernt im Hinterland.

Der Marokkaner hatte am 17. August auf Barcelonas Flaniermeile La Rambla mit einem weißen Lieferwagen mehr als 100 Menschen überrollt. Ursprünglich hatte das Terrorkommando geplant, mehrere Autobomben zu präparieren und an touristischen Orten in Barcelona oder in anderen Städten zu zünden. Darunter auch an der Gaudi-Basilika Sagrada Família. Doch dieser Plan scheiterte, weil am Mittwochabend beim Hantieren mit den Sprengsätzen die Bombenwerkstatt in dem Ort Alcanar, rund 200 Kilometer südwestlich Barcelonas, in die Luft flog. In Alcanar fand die Polizei mehr als 120 Butangasflaschen und Spuren des hochexplosiven Gemischs Triacetontriperoxid (TATP), das wegen seiner verheerenden Wirkung in der Terrorszene auch „Mutter des Satans“ genannt wird.
Alle Mitglieder der Terrorgruppe stammten aus dem Ort Ripoll, ein 10.000-Einwohner-Ort in den Vorpyrenäen. Als Kopf der Bande gilt der 45-jährige Hassprediger Abdelbaki es Satty. Er ist bei der Explosion gestorben. Satty hat im Ort elf junge Marokkaner im Alter von 17-34 Jahre aufgehetzt und zu den Terroranschlägen angestiftet. Mit der Aufspürung Abouyaaquoubs gilt die Terrorzelle als zerschlagen.

Moscheen beschmiert

Nun dürfte der zweite Teil der Aufklärung beginnen. Und zwar die Untersuchung der Frage, wie es möglich war, dass die zwölf Terroristen monatelang ihre Terrorpläne vorbereiteten, ohne dass Polizei und Geheimdienste davon Wind bekamen. Der Imam Abdelbaki es Satty war kein unbeschriebenes Blatt. Sein Name tauchte bereits im Zusammenhang mit anderen islamistischen Terrorgruppen auf. Etwa mit jener, die am 11. März 2004 in Madrid vier Vorortzüge sprengte und 191 Menschen tötete.

Während die Razzien und Verhaftungen am Montag fortgesetzt wurden, erlebt Spanien einen bisher noch nicht gesehenen Hassausbruch gegen den Islam. Etliche Moscheen wurden mit Schmähparolen besprüht. „Ihr werdet alle sterben, verdammte Moslems“, pinselten Unbekannte auf das Tor des Gebetshauses im katalanischen Ort Montblanc. Auf einer Moschee in Sevilla prangte: „Mörder, das werdet ihr bezahlen.“
An erster Stelle der Anfeindungen stehen verbale oder auch körperliche Angriffe auf muslimische Frauen, die auf der Straße wegen ihres Kopftuches beleidigt, bespuckt oder auch tätlich angegriffen werden. An zweiter Stelle kommen Anschläge und Schmierereien auf islamische Gotteshäuser. Die Marokkaner, die mit dem Arbeitskräftebedarf in Industrie und Landwirtschaft ins Land kamen, sind Spaniens größte Ausländergruppe. Insgesamt leben etwa 750.000 marokkanische Staatsbürger im spanischen Königreich, das 46 Millionen Einwohner hat. Die Region Katalonien, dort wo die Terroristen nun zuschlugen, ist eine ihrer Hochburgen.

Muslime distanzieren sich

Die Zahl aller Muslime in Spanien liegt insgesamt bei 1,9 Millionen. Viele muslimische Gemeinden in ganz Spanien versuchten schon Stunden nach den Terroranschlägen gegenzusteuern und demonstrierten gegen den islamistischen Terror: „Nicht in unserem Namen“, „Der Islam bedeutet Frieden“ oder „Ich bin Muslim, aber kein Terrorist“, stand auf Plakaten, die auf Barcelonas Flaniermeile La Rambla hochgehalten wurden. (ag./rs)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2017)

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