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Gabriel bei Tillerson: „Wir brauchen engen Draht nach Washington“

Sigmar Gabriel und Rex Tillerson im Blue Room des Außenministeriums in Washington.
Sigmar Gabriel und Rex Tillerson im Blue Room des Außenministeriums in Washington.(c) APA/AFP/YURI GRIPAS
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Die Außenminister Rex Tillerson und Sigmar Gabriel sind eher auf einer Wellenlänge als ihre Chefs. Beiden könnte aber bald ein Abgang bevorstehen.

Wien/Washington. Die Einladung zum Gespräch im State Department in Washington kam ganz kurzfristig, und Sigmar Gabriel nahm sie ebenso spontan an. Sollte der deutsche Außenminister den Termin bei Rex Tillerson, seinem US-Amtskollegen, am Dienstag nur wegen des Wahlkampfs in seiner Heimat ausschlagen? Dies kam nicht in Frage, obwohl Gabriel – bis zu Beginn des Jahres SPD-Chef, ehe er den Platz für Martin Schulz räumte – einer der wenigen Aktivposten für seine Partei ist. „Wir brauchen einen engen Draht nach Washington“, sagte er – umso mehr, da „wir in letzter Zeit nicht immer auf einer Wellenlänge liegen“. Die Agenda reicht vom nordkoreanischen Atomprogramm über die Lage in Afghanistan und in Nahost bis zu den Sanktionen gegen Russland.

Der neuerdings rundum erschlankte Außenminister entfaltet im neuen Amt eine Umtriebigkeit, die gepaart ist mit expliziter Sprache und einer zuweilen erfrischenden Deutlichkeit. Wo sein Vorgänger, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, meist mit verklausulierten und um Vorsicht bedachten Formulierungen die Aura des soignierten Chefdiplomaten pflegte, teilt Gabriel mit Lust an der Pointe aus – insbesondere gegen die Türkei des Recep Tayyip Erdoğan. Der Präsident ließ die Kritik denn auch nicht auf sich sitzen und holte zu einem Rundumschlag gegen Gabriel aus: „Wer sind Sie, dass Sie mit dem Präsidenten der Türkei reden? Beachten Sie ihre Grenzen! Wie lange sind Sie eigentlich in der Politik? Wie alt sind Sie?“

Mit Schröder und Putin im Palast

Erdoğans Schmähtirade erhöhte die Popularität Gabriels in Deutschland schlagartig. In der Beliebtheitsskala der deutschen Politik hat sich der in der SPD – und vor allem im Landesverband seiner niedersächsischen Heimat – zuletzt nur wenig gelittene Gabriel auf den dritten Platz hinter Finanzminister Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel hochkatapultiert. Es ist eine Sphäre, die für Außenminister in Berlin quasi reserviert ist. Dass er die Regierungschefin mitunter hart attackiert, hat ihm zumindest bisher nicht geschadet.

In seiner Präsenz und Außenwirkung überstrahlt der Ex-Parteichef längst seinen Nachfolger Schulz, und in der SPD ärgern sich viele Parteifreunde inzwischen über die Alleingänge des Außenministers. Mal unterbricht er seinen Urlaub auf Sylt, um die Neuausrichtung der Türkei-Politik in Berlin zu verkünden; mal jettet er kurz nach Kampala, der Hauptstadt Ugandas, um die Flüchtlingspolitik des ostafrikanischen Landes in Augenschein zu nehmen. Als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Tag nach seiner Wahl zum Höflichkeitsbesuch zu Merkel nach Berlin einschwebte, holte ihn Gabriel in alter Verbundenheit vom Flughafen ab: Die beiden hatten als Wirtschaftsminister enge Bande geknüpft. Dass Gabriel zunächst ein privates Dinner verschwieg, das Wladimir Putin für die deutschen Gäste – allen voran Altkanzler Gerhard Schröder und Gabriel – im Juni im Konstantinpalast in St. Petersburg ausgerichtet hatte, wirft indessen ein schiefes Licht auf die SPD-Kontakte in den Kreml.

Fremdkörper im Trump-Kosmos

Unmittelbar nachdem er sein Amt angetreten hatte, absolvierte Gabriel sein diplomatisches Debüt bei Tillerson. Bei ihrem gestrigen Treffen könnte es sich allerdings auch um ihr letztes Tête-à-tête in Washington handeln. Denn nach der Bundestagswahl am 24. September könnte Gabriel sein Amt als Außenminister verlieren, an dem er großen Gefallen gefunden hat – selbst für den unwahrscheinlichen Fall des Weiterbestands der großen Koalition in Berlin.

Tillerson gilt ohnedies als amtsmüde. Im Sommer hielten sich in Washington hartnäckig Gerüchte über einen Rücktritt des früheren Exxon-Chefs, der öffentlich seinem alten Job an der Spitze des texanischen Energiemultis nachtrauert. Der US-Außenminister fühlt sich sichtlich unwohl im State Department, wo nach wie vor eine Vielzahl an Top-Posten verwaist sind – unter anderem, weil Trump die Zustimmung für die Bestellung mehrerer republikanischer Außenpolitik-Veteranen verweigerte.

Die mediale Dauerbeobachtung bereitet dem Ex-Manager Unbehagen, Auftritte vor der Presse sind ihm oft eine Qual. In Washington war Tillerson von Anfang an isoliert. Im Trump-Kosmos ist er ein Fremdkörper geblieben: Das Außenministerium hat gegenüber dem Hobby-Außenpolitiker und Trump-Schwiegersohn Jared Kushner und den Generälen im Zentrum der Macht an Einfluss verloren. Mit der ambitionierten UN-Botschafterin Nikki Haley stünde auch schon eine Nachfolgerin bereit.

In zentralen Punkten der Außenpolitik nimmt Tillerson eine nuanciertere Position als Trump ein. Die Aufkündigung des Pariser Klimaschutzabkommens hält er für einen Fehler. Zuletzt distanzierte sich Tillerson von Äußerungen Trumps zu den rassistischen Vorfällen in Charlottesville. „Der Präsident spricht für sich selbst“, erklärte er spitz. Aus dem Weißen Haus verlautete derweil, der Außenminister stecke im Establishment fest. „Rex kapiert es einfach nicht.“ Trumps Urteil könnte vom baldigen Abgang des Ministers künden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2017)

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