Frankreich: Linker Aufstand gegen Macron

Proteste in Rennes: „Lasst uns dieses Lächeln auslöschen, seien wir geeint“, prangt neben der Macron-Karikatur auf dem Plakat.
Proteste in Rennes: „Lasst uns dieses Lächeln auslöschen, seien wir geeint“, prangt neben der Macron-Karikatur auf dem Plakat. (c) APA/AFP/DAMIEN MEYER
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Zehntausende Menschen haben gegen die geplante Arbeitsmarktreform demonstriert. Doch die Opposition ist gespalten.

Paris. Mehrere französische Gewerkschaften suchen die Machtprobe mit Präsident Emmanuel Macron: Angeführt von der linken CGT gingen in hunderten Städten des Landes am Dienstag Gegner der umstrittenen Arbeitsmarktreform auf die Straßen. In der Hafenstadt Le Havre marschierten mehr als 10.000 Menschen mit, etwa ebenso viele waren es im ungleich größeren Marseille. Mehrere Zehntausend nahmen in Paris am Nachmittag an den Protesten teil.

Streiks behinderten vor allem den öffentlichen Nahverkehr. Weniger spürbar waren Arbeitsniederlegungen im Gesundheits- und Bildungswesen und anderen öffentlichen Diensten sowie in zahlreichen Privatunternehmen. Doch die CGT hat bewiesen, dass sie immer noch mobilisieren kann.

Überschattet wurden die Proteste von vereinzelten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten. In Paris bewarfen Demonstranten die Sicherheitskräfte mit Wurfgeschossen, die Polizei setzte Tränengas und einen Wasserwerfer ein.

Blankoschek der Partei

In mehreren Städten blockierten Jahrmarkt-Schausteller den Verkehr mit ihren bunten Lastwagen; sie sind aus anderen Gründen als die Gewerkschaften gegen neue, von der Regierung verordnete kommunale Bewilligungsverfahren.

Die ersten fünf Verordnungen zur Flexibilisierung des Arbeitsrechts will die Regierung bereits Ende Monat in Kraft setzen. Das Parlament hat dazu nichts mehr zu sagen, denn die von Macrons Partei „La République en marche“ dominierte Mehrheit hat der Regierung einen Blankoscheck ausgestellt. Dass die Debatte über eine tiefgreifende Änderung des Sozialmodells so auf das Minimum reduziert wurde, hat die Gegner dieser Liberalisierung erst recht empört. Dennoch ist es ihnen nicht gelungen, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen.

Es sind dieselben roten Fahnen der CGT-Gewerkschaft, dieselben Sprechchöre wie bei der mehrwöchigen Bewegung gegen die letzte Arbeitsmarktreform, die „Loi El Khomri“ unter Präsident François Hollande. Jetzt ist auch dessen Nachfolger, Emmanuel Macron, mit dem Widerstand der Straße gegen seine wirtschaftsliberal inspirierten Reformpläne konfrontiert.

Doch was auf den ersten Blick wie ein Remake eines bekannten Films aussieht, weist wesentliche Unterschiede auf. Vor allem ist es der Regierung gelungen, im Verlauf der Vorgespräche im Sommer die Gewerkschaftsverbände zu spalten. Die traditionell kämpferische CGT wird zwar von kleineren Organisationen und Linksparteien unterstützt, steht aber vor allem im Vergleich zu 2016 ein wenig isoliert da.

Gebrochener Widerstand

Denn die beiden anderen großen Dachverbände, die eher reformistische CFDT und Force Ouvrière, sind nicht frontal gegen die Reformpläne wie die CGT. Sie kritisieren zwar die nun publizierten Verordnungen als „ungenügend“, sehen aber auch Vorteile für die Arbeitnehmer dank einer Verstärkung der Sozialpartnerschaft.

Auch die politische Opposition ist uneins. Jean-Luc Mélenchons linke Partei „France insoumise“ (die „Unbeugsamen“) ist solidarisch mit der CGT, hat jedoch für den 23. September einen separaten Aktionstag gegen die Reformen angekündigt, an dem sich ein Teil der Sozialisten beteiligen will. Für den Ex-Präsidentschaftskandidaten Mélenchon geht es darum, sich als unbestrittener Chef der Opposition zu profilieren. Damit wiederum hat er seine ehemaligen kommunistischen Partner vom PCF und die CGT-Führung verärgert.

Für Macron ist es zweifellos ein Vorteil, die Front des Widerstands von Beginn an gebrochen zu haben. Er konnte es sich sogar leisten, seine Gegner als „Nichtstuer“ und „Extremisten“ zu beleidigen. Er hat aus früheren Konflikten seiner Vorgänger die Lehre gezogen, dass unpopuläre Reformen rasch und ohne Zögern durchgesetzt werden müssen – und dass jedes Anzeichen von Schwäche verheerende Folgen hat. Daher setzt er auf das Eilverfahren mit Verordnungen. Seine Gegnern dagegen bleibt kaum Zeit, sich auf gemeinsame Ziele und Strategien zu einigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2017)

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