Bundestagswahl: SPD schießt sich auf AfD ein

Neue Plakate sollen Martin Schulz im besten Licht erstrahlen lassen. Im Wahlkampf-Finish will er sich als Vorkämpfer gegen die AfD profilieren.
Neue Plakate sollen Martin Schulz im besten Licht erstrahlen lassen. Im Wahlkampf-Finish will er sich als Vorkämpfer gegen die AfD profilieren. (c) REUTERS (FABRIZIO BENSCH)
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Mit Attacken auf die Rechtspopulisten will SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz auf den letzten Metern des Bundestagswahlkampfes noch Boden gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel gutmachen. In den Umfragen ist er abgeschlagen.

Berlin. Ehe Angela Merkel in den Wahlkampfmodus schaltete, um in Trier – der Geburtsstadt von Karl Marx – für ihre Wiederwahl zu werben, ging sie als Regierungschefin im Bundeskanzleramt an ihr Tagwerk. Am Freitag empfing sie Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, den Emir von Katar, und trat für eine diplomatische Lösung im Konflikt zwischen dem Golfstaat und Saudiarabien ein. Im Übrigen sprach sie sich für eine bessere Behandlung der Gastarbeiter aus, die das Gros der Bauarbeiten zur Fußball-WM 2022 schultern. Am Rande kommentierte sie auch Jean-Claude Junckers Rede zur Lage der EU, in einem Interview drohte sie dem ungarischen Premier, Viktor Orbán, EU-Finanzsanktionen an.

Business as usual also in Berlin: Eine Woche vor der Bundestagswahl richtet sich die Kanzlerin auf weitere vier Jahre an der Macht ein. „Ich habe die Absicht und den Willen“, bekräftigte sie ihre Intention, für eine volle Legislaturperiode im Amt zu bleiben. Sie trat so Spekulationen entgegen, es könnte zu einem vorzeitigen Stabwechsel im Kanzleramt an der Spree kommen.

Merkel hat auch allen Grund, Gelassenheit an den Tag zu legen. Die Umfragen attestieren der CDU-Chefin einen komfortablen Vorsprung von bis zu 17 Prozentpunkten gegenüber ihrem SPD-Herausforderer, Martin Schulz. Im Deutschland-Trend der ARD steht es im Duell der Großen 37 zu 20 Prozent, im Politbarometer des ZDF 36 zu 23. Im Kampf um Platz drei liegt die AfD voran (mit bis zu zwölf Prozent). Dahinter rangieren gleichauf die Linke und die FDP mit 9,5 Prozent, während die Grünen auf 7,5 Prozent abgerutscht sind.

Überleben der SPD als Volkspartei

Die SPD demonstriert derweil Zweckoptimismus. Es mutet freilich ein wenig verzweifelt an, wenn Sigmar Gabriel, der Ex-Parteichef und Außenminister, unter Hinweis auf rund 30 Prozent an Unentschlossenen die Parole ausgibt: „Die Wahl ist am 24. September entschieden, nicht früher.“ So tönen üblicherweise Wahlverlierer. Darin hatten die Sozialdemokraten in den vergangenen zwölf Jahren der Merkel-Ära Übung.

Für die SPD geht es nicht mehr ums Kanzleramt – der Zug scheint abgefahren. Es geht ums Überleben der SPD als Volkspartei, den Kampf gegen ein Annus horribilis, das noch schlimmer enden könnte als das Seuchenjahr 2009, als die SPD unter ihrem blassen Spitzenkandidaten Frank-Walter Steinmeier auf 23,3 Prozent abstürzte. Es war dies das historisch schlechteste Ergebnis.

Die Sozialdemokraten wollen sich indessen in der Endphase des Wahlkampfs als Vorkämpfer gegen die Rechtspopulisten profilieren, die auf acht Prozent an die SPD herangekommen sind. Je näher die Wahl rückt, desto mehr rücken nun die Auslassungen der AfD-Kandidaten in den Fokus. „Die Spitze der AfD ist rassistisch“, sagte Schulz im „Spiegel“. Er fordert darum, die Rechtspopulisten unter Verfassungsschutz zu stellen. Bei seinem Parteifreund Heiko Maas, dem Justizminister, rennt er damit offene Türen ein: Die AfD sei auf dem besten Weg, „zur neuen politischen Heimat für Neo-Nazis zu werden“. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sekundierte: „Jeder anständige Mensch erkennt, wie braun die AfD tatsächlich ist.“

Gaulands Provokationsstrategie

Anlass für die Aufregung ist eine Rede des AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland beim traditionellen Kyffhäuser-Treffen nationalkonservativer Gruppen vor zwei Wochen am Denkmal für Kaiser Barbarossa in Thüringen. Gauland hatte gleichsam einen Schlussstrich unter die Nazi-Zeit gezogen. „Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen.“ Deutschland habe das Recht, „stolz auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen zu sein“ – wie die Franzosen auf ihren Kaiser oder die Briten auf ihren „Kriegspremier“ Winston Churchill, wie der 76-Jährige anmerkte. Es fügt sich in die Strategie der Rechtspopulisten, im Wahlkampf mit Provokationen aufzufallen.

Dazu zählen vor allem auch die Pfeifkonzerte und Buhrufe bei Merkel-Kundgebungen, die sich inzwischen vom Osten auf ganz Deutschland ausgebreitet haben. Allerdings erlebte Merkel neulich im Studio der ZDF-Sendung „Klartext“ ein Kontrastprogramm. „Ich liebe Sie“, schwärmte ein syrischer Flüchtling. „Frau Merkel ist die Beste nach meinem Papa und meiner Mama.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2017)

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