Merkel will wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Türkei "zurückfahren"

Merkel bei einer Wahlkampfveranstaltung am Samstag
Merkel bei einer Wahlkampfveranstaltung am Samstagimago/BildFunkMV
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Kanzlerin Merkel will den wirtschaftlichen Druck erhöhen, um eine Freilassung der in der Türkei inhaftierten Deutschen zu erreichen. SPD-Kanzlerkandidat Schulz würde eine Kündigung des Flüchtlingsabkommens in Kauf nehmen.

"Wir werden unsere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei weiter zurückfahren müssen und Projekte auf den Prüfstand stellen", sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). Es sei empörend, dass eine Reihe von deutschen Staatsbürgern in der Türkei in Haft sitze, sagte die Christdemokratin. "Wir betreuen die Inhaftierten konsularisch so gut wir können, auch das wird von der Türkei aber leider in einigen Fällen sehr erschwert."

Außenminister Sigmar Gabriel sieht auch keine Grundlage für weitere EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Er sagte im SWR: "Wir können nicht mit einem Land Beitrittsverhandlungen führen, das Menschenrechte missachtet, das Pressefreiheit missachtet, das Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union ohne sichtbaren Anlass ins Gefängnis steckt." Die Gespräche mit der Türkei liefen nun schon 50 Jahre ohne Ergebnis. Darum müsse über andere Formen der Zusammenarbeit geredet werden, "wenn sich die türkische Regierung wieder ändert".

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nimmt auch eine Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens zwischen der Türkei und der EU durch Ankara in Kauf. So, wie die türkische Regierung jetzt handle, könne sie nicht Mitglied der EU werden. Wenn die Konsequenz die Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens sei, "dann müssen wir damit fertig werden", sagte Schulz der Deutschen Welle am Samstag. "Und dann müssen wir die Flüchtlinge betreuen. Ich bin nicht bereit, vor Herrn Erdogan in die Knie zu gehen. Man darf sich nicht erpressen lassen."

Beziehungen seit Monaten angespannt

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind seit Monaten angespannt. Grund sind unter anderem die Inhaftierungen deutscher Staatsbürger aus politischen Gründen. Derzeit befinden sich elf Deutsche wegen des Verdachts politischer Straftaten in türkischer Haft, etwa wegen mutmaßlicher Unterstützung von Terroristen oder Putschisten.

Die deutsche Bundesregierung fordert deren Freilassung. Die Türkei fordert ihrerseits die Auslieferung von Terrorverdächtigen aus Deutschland.

Auch der Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir verlangte, mehr wirtschaftlichen Druck auf Ankara und den Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auszuüben. Er plädierte in der "Welt" dafür, die Hermes-Bürgschaften auszusetzen, keine Rüstungsgüter mehr zu liefern und eine klare Reisewarnung auszusprechen - "so lange, bis Erdogan die deutschen Geiseln freilässt". Die Bürgschaften sollen deutsche Exportunternehmen vor Verlusten durch ausbleibende Zahlungen ihrer ausländischen Geschäftspartner schützen.

(APA/dpa)

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