Wie sich Firmen mit dem Iran die Finger verbrennen können

Women look at jewellery at a shop window in a bazaar in northern Tehran
Women look at jewellery at a shop window in a bazaar in northern Tehran(c) REUTERS (Morteza Nikoubazl)
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Schon jetzt sind Iran-Geschäfte bei allen Chancen voller Tücken. Die Oberbank scheut die Gefahren nicht.

Wien/Linz. Noch mehr Pech kann man mit dem Timing kaum haben: Just am Donnerstag, als alle Welt nach der Trump-Drohung um die Zukunft des Atomdeals zitterte, unterzeichnete die Oberbank in Linz feierlich und mit großer diplomatischer Besetzung ein Finanzierungsabkommen mit dem Iran– als erstes Geldhaus in Europa. Die Hoffnung, bald viele Firmenkunden als „die Iran-Bank“ auf dem Weg in einen Zukunftsmarkt zu begleiten, hat damit gleich zum Start einen schweren Dämpfer erlitten.

Freilich kennt man beim siebtgrößten heimischen Institut die Tücken im Iran-Geschäft schon seit Langem. Sogar in der Zeit der Sanktionen betreuten die Oberösterreicher noch eine Handvoll Unternehmen, die erlaubte Waren wie etwa Futtermittel weiter lieferten. Nachdem im Juli 2015 der Atomdeal endlich in Wien unter Dach und Fach gekommen war, machte sich unter Exporteuren voreilig Euphorie breit. In der Goldgräberstimmung übersahen viele, dass einige US- und EU-Sanktionen weiterhin aufrechtblieben. Wobei es vor allem mit den US-Behörden sehr ungemütlich werden kann.

Deshalb empfiehlt Claudia Raml, die Verantwortliche für Exportfinanzierung bei der Oberbank, heute nichts anderes als vor zwei Jahren: „Alle Geschäfte in Euro, nichts in Dollar“ – denn sonst gerät man auf indirektem Weg unter die US-Gerichtsbarkeit. Zudem darf das heimische Unternehmen „keinen US-Bezug haben“, vor allem keinen Standort in Amerika. Woran viele wohl nicht denken: Es sollte auch kein Vorprodukt aus den USA einfließen. So ist es etwa für eine Baufirma nicht ratsam, für ihre Baustelle im Iran einen Caterpillar anzuschaffen.

Klausel für den Fall neuer Sanktionen

Tatsächlich besteht schon seit der historischen Einigung alle drei Monate aufs Neue die Gefahr, dass der US-Kongress die Aussetzung des Großteils der Sanktionen nicht weiter verlängert und damit de facto den völkerrechtlichen Vertrag einseitig aufkündigt. Nur hing dieses Damoklesschwert bis zu Präsident Trumps Brandrede vor der UNO nicht sonderlich tief. Jedenfalls empfiehlt Raml für jeden Iran-Exportvertrag, sich mit einer Klausel für den Fall des Falles abzusichern. Darin steht dann sinngemäß: Der Lieferant ist von seiner Lieferverpflichtung entbunden, sobald der Atomdeal nicht mehr gilt. Eine solche Klausel sehen aber die iranischen Partner gar nicht gern. Sie laufen ja damit Gefahr, durch die Finger zu schauen, ohne selbst etwas falsch gemacht zu haben. Für Raml ist das ein Grund dafür, warum bisher trotz regen Interesses auf beiden Seiten so wenige Exportverträge zu einem Abschluss gekommen sind.

Manche der weiter bestehenden US-Sanktionen betreffen Personen. Deshalb sei immer zu recherchieren, wer der wirtschaftlich Berechtigte bei einem Geschäft ist. Mit einem Strohmann darf man sich also nicht zufriedengeben. Nur große Unternehmen haben eine Software, mit der sie weltweit auf Firmenbücher zugreifen können. Kleineren kann dabei das Wirtschaftsministerium helfen. Es fragt sich nur, wie weit die Nachforschungen gehen müssen. Denn: „Wenn Sie tief genug graben, landen Sie irgendwann immer bei den Revolutionsgarden“, erklärte Raml am Mittwoch bei einer Veranstaltung vom Senat der Wirtschaft in Wien.

An andere Fallstricke dächte man als Laie nicht. Da der Euro auf dem Schwarzmarkt um 20 Prozent günstiger als zum offiziellen Kurs ist, schalten iranische Kunden gern Money Exchanger ein, die dann die günstige Überweisung gegen Provision übernehmen. Wenn aber „die Anzahlung für eine Maschine von einem türkischen Obsthändler kommt, riecht das nach Umgehung von Sanktionen“ – weshalb man sich als Exporteur nicht darauf einlassen sollte. Auch die Liste der erlaubten Waren kann Kopfzerbrechen bereiten. So verbietet etwa die EU-Folterverordnung die Lieferung von Barbituraten, mit denen man Gefangene gefügig machen kann. Als Würzmittel hingegen sind sie erlaubt – ein heikler Graubereich.

Kleine Banken tun sich leichter

So begibt sich auch die Oberbank als Partner auf dünnes Eis – und sichert sich dabei nach Möglichkeit ab. Das Rahmenabkommen betrifft Finanzierungen mit einer Laufzeit von über zwei Jahren, die von der österreichischen Kontrollbank gedeckt sind. Bei den anstehenden Projekten gehe es um Infrastruktur (Bahn, Wasserkraft, Fotovoltaik), Gesundheitswesen und Maschinen. Wie aber kommt es zur Pionierrolle einer Regionalbank? „Wenn man mir vor eineinhalb Jahren prophezeit hätte, dass wir heute die einzige europäische Bank mit einem Abkommen sind, hätte ich gelacht“, gesteht Raml. Aber auch Kreditinstitute haben eben viel zu verlieren. Deutsche Bank und Commerzbank verbrannten sich zu Sanktionszeiten kräftig die Finger und mussten hohe Strafen zahlen. Die relativ kleine Oberbank tut sich insofern leichter, als sie selbst nicht in den USA präsent ist. „Aber es wäre für uns eine mittlere Katastrophe, würden wir vom Zahlungsverkehr in Dollar ausgeschlossen.“ Misstrauische Rückfragen der Amerikaner gebe es bereits. Aber Akteure auf dem Finanzmarkt wissen zur Genüge: Wer das Risiko scheut, lässt Chancen liegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2017)

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