Burma: Friedensikone Aung Suu Kyi bricht ihr Schweigen

(c) APA/AFP/DOMINIQUE FAGET
  • Drucken

Aung Suu Kyi verurteilt angesichts der Gewalt gegen die Rohingya erstmals die schweren Übergriffe in ihrem Land. Doch Menschenrechtler zeigen sich von Rede Suu Kyis enttäuscht.

Bangkok/Naypyidaw. Burmas (Myanmars) De-facto-Staatschefin Aung San Suu Kyi will nicht länger schweigen. In der Hauptstadt Naypyidaw tritt sie am Dienstag an ein Rednerpult und erklärt ausländischen Diplomaten, wie es zur Eskalation der Gewalt im Westen ihres Landes kommen konnte. Seit Ende August wurden dort 400.000 Angehörige der muslimischen Rohingya-Minderheit zu Flüchtlingen. „Wir verurteilen alle Menschenrechtsverletzungen und ungesetzliche Gewalt“, sagt die 72-Jährige. Sie verspricht: Die Sicherheitskräfte seien angehalten, einen strikten Verhaltenskodex zu befolgen und „Kollateralschäden zu vermeiden“.

Die Friedensnobelpreisträgerin, die angesichts der humanitären Notlage in ihrem Land international massiv in Kritik geraten ist, versucht bei ihrem Auftritt für Verständnis zu werben. „Die Menschen erwarten von uns, dass wir alle Probleme Myanmars in kürzester Zeit lösen“, sagt sie. „Aber wir sind noch nicht einmal 18 Monate im Amt. Das ist angesichts der Herausforderungen äußerst kurz.“

Tatsächlich steht ihre Regierung, die nach dem Ende einer jahrzehntelangen Militärdiktatur im März vergangenen Jahres an die Macht kam, im Bundesstaat Rakhine an der Grenze zu Bangladesch vor gewaltigen Problemen. Spannungen zwischen der buddhistischen Mehrheit und einer muslimischen Minderheit gibt es hier seit Jahrzehnten. Die Angehörigen der Volksgruppe Rohingya werden unterdrückt und haben kaum Rechte. Im August verübte eine Rohingya-Rebellengruppe einen Anschlag auf Posten der Sicherheitskräfte. Die Armee reagierte mit einer brutalen Offensive: Die Vertriebenen berichten von massenhaften Zerstörungen von Häusern und Gewalt gegen Zivilisten durch Soldaten. UNO-Vertreter sprechen von ethnischer Säuberung.

Auf diese gravierenden Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte ihres Landes geht Suu Kyi in ihrer Rede jedoch nur indirekt ein. „Es gibt Anschuldigungen und Gegenanschuldigungen“, sagt sie. Die Rohingya-Volksgruppe nennt sie auch nur ein einziges Mal beim Namen – und zwar nur an der Stelle, als sie die Selbstbezeichnung der Rebellengruppe vorträgt. Sie wolle sich nicht auf eine Seite schlagen, das würde den Konflikt verstärken, führt Suu Kyi als Erklärung dafür an, dass sie sich nicht deutlicher äußert. „Ich versuche, Harmonie und Verständnis zu fördern.“

Einsam auf der Bühne

Die Politikerin steht bei ihrer Ansprache alleine auf einer langen Bühne, eingerahmt von jeweils sieben Nationalflaggen links und rechts. Ihr Publikum, das aus mehreren Botschaftern besteht, lädt die in Oxford ausgebildete Anführerin in perfektem Englisch ein, sich im Rakhine-Staat selbst ein Bild von der Situation zu machen. Die Einladung beschränkt sie aber ausdrücklich auf „den friedlichen Teil der Region“. Die ausländischen Gäste sollten dort in Erfahrung bringen, weshalb es mancherorts keine Kämpfe gebe. Dass die Armee in dieser Frage die wichtigste Rolle spielt, lässt Suu Kyi unerwähnt. Unter Führung von General Min Aung Hlaing läuft seit Wochen eine massive Militäroperation, die sich angeblich gegen Extremisten richtet. Die Armee kann laut Verfassung autonom agieren. Suu Kyi hat keine Befehlsgewalt über die Truppen, sie ist auf das Wohlwollen der Generäle angewiesen. Diese kontrollieren 25 Prozent der Parlamentssitze und können Pläne für Verfassungsänderungen blockieren.

Dass sich Suu Kyi, selbst Tochter eines Generals, nicht klarer äußerte, stieß bei Aktivisten auf Enttäuschung. „Es war zwar positiv, dass Aung San Suu Kyi Menschenrechtsverstöße verurteilt hat“, resümiert Amnesty International. „Aber sie schweigt immer noch über die Rolle der Sicherheitskräfte.“ Dabei gebe es überwältigende Beweise, dass diese in ethnische Säuberung verwickelt seien. Auch Phil Robertson, Vize-Asien-Chef von Human Rights Watch, warf Suu Kyi vor, Gräueltaten der Armee zu verschweigen: „Die Soldaten folgen keinem Verhaltenskodex, sie erschießen, wen immer sie wollen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Aung San Suu Kyi tritt nach ihrer Rede an die Nation in Naypyitaw vom Rednerpult ab.
Außenpolitik

Rohingya: Das lange Schweigen von Suu Kyi hat ein Ende

Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi wandte sie sich erstmals gegen "Menschenrechtsverletzungen" im Bundesstaat Rakhine. Sie erklärte sich bereit, ausländische Beobachter ins Land zu lassen.
Flüchtlingslager in Balukhali
Weltjournal

Muslime in Bangladesch bedroht

Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen könnten die nach Bangladesch geflohenen muslimischen Rohingyas nicht ausreichend versorgt werden, warnt Save the Children. Die Vereinten Nationen werfen Myanmar ethnische Säuberungen vor.
Drückt sich vor der UNO: Aung San Suu Kyi.
Außenpolitik

Burmas Friedensikone Aung San Suu Kyi sagt Teilnahme am UN-Gipfel ab

Das Rohingya-Massaker: In Burma machen Soldaten Jagd auf Muslime. Religiöser Hass ist nicht der einzige Antrieb.
Geflohene Rohingyas erhalten Hilfslieferungen in Bangladesch
Außenpolitik

Bereits 400.000 Rohingyas aus Burma geflohen

Jeden Tag überqueren laut dem Kinderhilfswerk Unicef tausende Angehörige der muslimischen Minderheit die Grenze zu Bangladesch. Das Europaparlament forderte die burmesische Armee auf, ihre Angriffe sofort zu beenden.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.