Österreichs Bundespräsident verteidigt das Atomabkommen mit dem Iran und übergab Trump einen Brief eines um den Klimawandel besorgten Mädchens. Außenminister Kurz erwägt eine vorzeitige Abreise aus New York.
New York. Als Bundespräsident hat sich Alexander van der Bellen bisher stets um Zurückhaltung am Rande der Lethargie bemüht. Doch der Auftritt von Donald Trump in der UN-Generalversammlung dürfte ihn tief verstört haben. Ungewöhnlich undiplomatisch geißelte Österreichs Staatsoberhaupt die Brandrede des US-Präsidenten. Das sei eine Ansprache an die eigenen Wähler in der amerikanischen Provinz gewesen, aber nicht an die Regierungschefs von 193 Staaten, sagte Van der Bellen vor österreichischen Journalisten. Trump hatte am Dienstag Nordkorea mit der „völligen Auslöschung“ gedroht und einen Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran angedeutet. Der US-Präsident bezeichnete die vor zwei Jahren in Wien abgeschlossene Vereinbarung „als schlechtesten und einseitigsten Deal aller Zeiten“, als eine „Schande für die USA“.
Van der Bellen verteidigte die Islamische Republik, deren Präsident Rohani er bei einem Gespräch am Montag nach Wien eingeladen hatte. Die Regierung in Teheran erfülle das Atomabkommen auf Punkt und Beistrich. Darüber seien sich alle EU-Mitglieder einig. Es bestehe kein Grund, daran zu zweifeln, dass sich der Iran an den Vertrag halte. Möglicherweise nehme Washington eine ganze Gruppe von Staaten militärisch ins Visier. Bei Nordkorea sei das noch nachvollziehbar, aber nicht bei Iran, Venezuela und Kuba, erläuterte Van der Bellen. Trump hatte auch den beiden lateinamerikanischen Ländern mit einer härteren Gangart gedroht.
Kampfansage an die EU
Irritiert zeigte sich Van der Bellen zudem darüber, dass der US-Präsident einer Renationalisierung der Politik das Wort geredet habe. „Für mich war das eine Kampfansage an die EU“, sagte Österreichs Bundespräsident und zog ein vernichtendes Fazit der Rede Trumps: „Das war enttäuschend.“
Noch in der Nacht auf Mittwoch hatte Van der Bellen die Gelegenheit, dem US-Präsidenten bei dessen Empfang im New York Palace Hotel die Hand zu schütteln und ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Das Thema Klimawandel wollte Van der Bellen dem US-Präsidenten offenbar ohnehin ans Herz legen. Er übergab Trump den Brief eines 11-jährigen Mädchens, das sich um den Klimawandel sorgt.
Außenminister Sebastian Kurz erklärte, er teile Van der Bellens Einschätzung der Trump-Rede. Seine eigene Ansprache vor der UNO, die er von Mittwoch auf Dienstagabend vorziehen durfte, ergänzte er um einen Seitenhieb: Wer das Atomabkommen mit dem Iran untergrabe, schwäche auch Bemühungen in der Nordkorea-Krise zu einer Verhandlungslösung zu gelangen, sagte er vor dem spärlich besuchten Auditorium. Das Risiko einer nuklearen Konfrontation sei im Moment so groß wie schon lange nicht. Umso wichtiger sei der Vertrag zum Verbot von Nuklearwaffen, den am Mittwoch auf Betreiben Österreichs immerhin 47 Staaten feierlich unterzeichnen sollten.
Bald Iran-Gespräche in Wien
Wien könnte demnächst in der neuen Atomkrise mit dem Iran wieder zur Drehscheibe werden. Es ist vertraglich vorgesehen, dass die Unterzeichnerstaaten (Iran, USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) gemeinsame Konsultationen vornehmen, wenn das Abkommen an der Kippe steht. Doch ein rascher Konsens ist bei einer ablehnenden Haltung der USA nicht vorstellbar. Und im US-Kongress scheint es eine solide Mehrheit für eine Kündigung der Vereinbarung zu geben.
Die Frage ist, ob die übrigen Signatarstaaten die Vereinbarungen dann trotzdem aufrechterhalten. Die EU wäre wohl gewillt. Doch amerikanische Sanktionen träfen schnell auch europäische Firmen, die Handel mit dem Iran treiben. Und in Teheran hat eine Hardliner-Fraktion das Atomabkommen ohnehin seit jeher abgelehnt. Sie ist nun politisch gestärkt sein.
Kurz erkältet - vorzeitige Abreise?
Kurz und Van der Bellen wollten am heutigen Mittwoch mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres zusammenkommen. Danach stand ein Treffen des Außenministers mit seiner südkoreanischen Amtskollegin Kyung-Wa Kang auf dem Programm. Van der Bellen hatte einen EU-Vortrag in der Columbia University im Kalender stehen und sollte danach planmäßig zurück nach Wien fliegen. Kurz erwog, ebenfalls am Mittwochabend, also einen Tag früher als ursprünglich gebucht abzureisen. Ihn plagte eine Erkältung, die er vor seinem offiziellen Wahlkampfauftakt am Samstag in der Wiener Stadthalle auskurieren wollte.