„Warum startet Irak genau vor Kurdenreferendum Angriff auf IS?“

Der kurdische General Hazhar Ismail
Der kurdische General Hazhar IsmailWieland Schneider
  • Drucken

Peschmerga-General Hazhar Ismail stellt klar, dass sich Nordiraks Kurden nicht an den Offensivoperationen gegen IS-Hochburg Hawija beteiligen werden.

Es ist die letzte große Stadt, die die Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) noch im Irak kontrollieren. Nun haben Iraks Streitkräfte ihre Offensive zur Rückeroberung Hawijas begonnen. Ein neuer Sieg stehe bevor, sagte der irakische Premierminister, Haidar al-Abadi, selbstbewusst, als er den Beginn der Operation verkündete. Das IS-Gebiet rund um die Stadt ist von irakischen Truppen und auch von Peschmergaeinheiten der nordirakischen Kurdenregion umzingelt.
„Hawija ist zum Zentrum des IS geworden. Dorthin haben sich viele ihrer Anführer zurückgezogen. Und von dort aus haben sie Terroroperationen in Diyala, Kirkuk und Tikrit gestartet“, berichtet General Hazhar Ismail. Er empfängt in seinem Büro im Peschmerga-Ministerium in Erbil, der Hauptstadt der Kurdenregion.

Hazhar Ismail ist der erste kurdische General, der das US-Army War College absolviert hat. Stolz zeigt er das Gruppenfoto der Teilnehmer seines Jahrgangs, 2013, das an der Wand des Büros hängt, oberhalb eines Säbels, den ihm deutsche Offiziere geschenkt haben. „Wir haben Bagdad immer wieder darauf gedrängt, dass die Hawija-Operation gestartet wird“, schildert er. „Wir haben ihnen gesagt, es wäre besser, die Hawija-Offensive noch vor Beginn der Mossul-Offensive durchzuführen. Aber sie wollten nicht.“

IS-Kämpfer an Flucht hindern

Anfang Juli wurde der IS schließlich aus seiner Hochburg Mossul vertrieben. Damals arbeiteten kurdische Truppen und irakische Streitkräfte eng zusammen. Die Peschmerga starteten die Operation, stießen in die Ninive-Ebene vor und sicherten das Umland der IS-Hochburg. Danach rückte Iraks Armee in die Stadt Mossul vor.
Jetzt gehen die irakischen Kräfte gegen das letzte IS-Zentrum, Hawija, vor – doch dieses Mal ohne die kurdischen Kämpfer. „Die Peschmerga werden nicht an den Offensivoperationen in Hawija teilnehmen“, erklärt General Hazhar Ismail. „Wir werden nur Iraks Sicherheitskräfte unterstützen, falls sie Hilfe brauchen, und unsere Frontlinie kontrollieren, damit fliehende IS-Kämpfer nicht in unser Gebiet gelangen können.“

Der Grund für die kurdische Zurückhaltung scheint klar. Für Montag ist in der Kurdenregion ein Referendum über die völlige Unabhängigkeit des weitgehend autonomen Gebiets vom Irak geplant. Die Regierung in Bagdad und die Nachbarn Türkei und Iran machen massiven Druck auf die kurdische Führung, die Abstimmung im letzten Moment abzusagen oder zu verschieben. Und die Hawija-Offensive findet in einer hochsensiblen Gegend statt: Hier liegt das erdölreiche Gebiet um Kirkuk, das weitgehend von kurdischen Kräften kontrolliert wird. Bagdad will keinesfalls tolerieren, dass auch Kirkuk sich einer – vielleicht bald unabhängigen – Kurdenregion anschließt. In Erbil fürchtet man deshalb, dass Iraks Truppen hier nicht nur für die Offensive gegen den IS zusammengezogen werden.

"Wir haben starke Truppen"

„Die Frage ist schon: Warum hat Iraks Regierung genau jetzt die Hawija-Offensive gestartet?“, sagt Peschmerga-General Hazhar Ismail. Sorge bereite vor allem, dass Bagdad Kämpfer der sogenannten Volksmobilisierungseinheiten in den Raum Kirkuk verlegt. Mit diesen paramilitärischen Einheiten habe es schon in der Vergangenheit Probleme gegeben. „Wir haben starke Truppen und können Provokationen beantworten“, sagt der General. Doch er fügt hinzu: „Wir werden versuchen, Probleme so wie bisher friedlich zu lösen.“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Iranische Militärmanöver und Angriffe vor Referendum

Einen Tag vor dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden hat der Iran Militärmanöver an der Grenze abgehalten.
Außenpolitik

Bagdad lehnt Unabhängigkeit der Kurden ab

Das irakische Parlament votiert gegen ein geplantes Referendum.
Außenpolitik

"Wir werden Kurdistan gegen jeden verteidigen"

Im Süden der Erdölstadt Kirkuk stehen kurdische Peschmerga bereit, um die letzte Hochburg des IS zu erobern. Doch sie wappnen sich auch gegen einen neuen Feind - die schiitschen Milizen, die Bagdad entsandt hat.
Jubel und kurdische Flaggen. Im Shanidar-Park in Erbil demonstriert eine gewaltige Menschenmenge für das Unabhängigkeitsreferendum am 25. September.
Außenpolitik

Irak: „Wir Kurden haben unser Blut gegeben“

Die Führung der Kurdenregion macht für das Referendum zur Unabhängigkeit mobil. Bagdad und die Nachbarn verschärfen ihre Drohungen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.