Japan: Abe tritt in Nordkorea-Krise Flucht nach vorn an

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Mit seiner harten Haltung konnte Japans Premier Shinzō Abe angesichts der nordkoreanischen Bedrohung seine Umfragewerte nach oben schrauben. Die Opposition ist schwach. Deshalb verlegt er die Wahlen auf 22. Oktober vor.

Tokio. Japans Premier Shinzō Abe macht es dramatisch. Eine nationale Krise bewege ihn dazu, vorgezogene Wahlen auszurufen. Am Montag kündigte der Regierungschef an, er werde am kommenden Donnerstag das Unterhaus des Reichstages auflösen und damit den Weg öffnen für ein schnelles Votum. Die Neuwahlen sollen bereits am 22. Oktober stattfinden.

„Ich will eine starke Führung demonstrieren und an vorderster Front stehen“, erklärte Abe auf einer Pressekonferenz in Tokio. Als größtes Problem bezeichnete er die rapide alternde Gesellschaft sowie den Atom- und Raketenkonflikt mit Nordkorea. „Das ist meine Verantwortung und meine Mission als Ministerpräsident.“

Bei aller Spannung, die der rechtskonservative Abe heraufbeschwor, war dieser Schritt seit Tagen erwartet worden. Beobachter in Tokio sehen darin eher einen taktischen Schachzug, viele sprechen von Zockerei. Abe will die Gunst der Stunde nutzen. Der Zeitpunkt ist aus seiner Sicht so günstig wie selten, seine Mehrheit weiter auszubauen und durch ein neues Mandat aufzufrischen.

Der Premier und seine Liberal-Demokratische Partei haben sich gerade mühsam aus einem Popularitätstief befreien können. Mehrere Skandale um Vetternwirtschaft, Amtsmissbrauch, Fehlverhalten sowie der Vorwurf zunehmender Arroganz nach über vier Jahren im Amt hatten Abes Umfragewerte im Juli auf unter 30 Prozent sinken lassen. Über weite Strecken wirkte der Premier so angeschlagen, dass bereits laut über Nachfolger nachgedacht wurde.

Diese Abwärtsbewegung hat ausgerechnet Nordkorea gestoppt. Nach den international scharf kritisierten Raketenversuchen, die mehrfach über japanisches Territorium flogen, konnte der Regierungschef mit seiner entschlossenen Haltung bei der verunsicherten Bevölkerung punkten. Der 62-Jährige profilierte sich in den Augen vieler seiner Landsleute wieder als Führungsfigur. Ihm werden gute Beziehungen zu US-Präsident Donald Trump nachgesagt, und Japan braucht im Fall eines tatsächlichen Angriffs aus Pjöngjang den Schutz der USA. Gleichzeitig kann es sicher sein, dass das Wahlvolk in der schwelenden Nordkorea-Krise keine Experimente wagen wird.

Mit Füllhorn in den Wahlkampf

Der Zeitpunkt kommt aber auch deshalb gelegen, weil die Opposition so schwach wie selten dasteht. In der Demokratischen Partei herrscht nach mehreren Führungswechseln Chaos. Die öffentliche Unterstützung liegt im einstelligen Bereich, in Scharen treten populäre Mitglieder aus der Partei aus. Auf der anderen Seite formiert sich gerade eine neue Konkurrenz. Die beliebte Gouverneurin von Tokio, Yuriko Koike, schickt sich an, aus ihrer bisher nur in der Metropole agierenden Partei eine landesweite Organisation zu bilden. Nur wenige Stunden vor der Neuwahlankündigung hatte Koike erklärt, sie werde die neue konservative und reformfreundliche „Partei der Hoffnung“ führen, um den Wählern eine Alternative zur LDP zu bieten.

Bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2018 hätten sie und ihre Mitstreiter sich möglicherweise breit aufstellen können. Bis zum 22. Oktober dieses Jahres aber dürften sie chancenlos sein.

Laut einer Umfrage würden derzeit 44 Prozent der Befragten für die Liberal Demokratische Partei stimmen, 42 Prozent zeigten sich unentschlossen. In den Wahlkampf zieht Abe deshalb mit einem 15 Milliarden Euro schweren milliardenschweren Konjunkturpaket.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2017)

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