Bayern: CSU schiebt der Schwesterpartei CDU den Schwarzen Peter zu

Bei Horst Seehofer und seiner CSU ist die Stimmung ist mies.
Bei Horst Seehofer und seiner CSU ist die Stimmung ist mies.(c) AFP
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CSU sieht die Schuld am Wahldebakel in keinem Fall bei sich selbst. Nun müsse das Verhältnis zur CDU einmal „geklärt“ werden.

München. Um 14 Uhr soll die Pressekonferenz beginnen, doch um halb vier tagt der CSU-Vorstand immer noch. An die 75 Leute sind in der Münchner Parteizentrale versammelt; alle haben zu diesem krachenden Wahldebakel vom Abend zuvor etwas zu sagen. Und Horst Seehofer verlässt den Saal lieber nicht. Wer weiß, was in seiner Abwesenheit ausgeheckt werden könnte; die Stimmung ist mies, und die CSU hat im Sturz von Mächtigen so ihre Erfahrung.

Wobei: Eigentlich hat Seehofers Hauptrivale, Finanzminister Markus Söder, die Sitzung schon um 14 Uhr recht entspannt verlassen – und dabei das Gleiche gesagt wie am Anfang, vier Stunden zuvor: Die CSU befinde sich in einer „existenziellen Situation“; einfach zur Tagesordnung zurückkehren könne sie nicht. „Hauruck-Analysen“ aber könne sie sich auch nicht leisten. Mit anderen Worten: Der Putsch ist abgeblasen. Vorerst. Und im November ist Parteitag.

Seehofers Getreue versichern: Der Vorstand stehe „zu 100 Prozent“ hinter dem Chef. Sein Vorschlag – nach einer kurzen Drohung –, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag fortzusetzen, sei einstimmig angenommen worden; genauso wie seine Idee, vor den Koalitionsverhandlungen erst einmal das Verhältnis zur Schwesterpartei „zu klären“. Das heißt: Die CSU sieht doch mehr Schuld für das Desaster bei der CDU, als sie am Sonntagabend, im gewaltigen Schock über den eigenen Einbruch, zu formulieren imstande war. Die CDU solle sich in Richtung CSU bewegen, verlangt man im Saal.

„Ein Weiter-So geht nicht“

Seehofer kann an diesem historischen Einbruch der CSU, auf ein Niveau, wie es seit 1949 nicht mehr gesehen worden ist, keine Schuld der eigenen Partei erkennen. Die „Grundwelle“ in Richtung AfD sei ein bundesweites Phänomen gewesen, und die Unions-Verluste seien in anderen Bundesländern noch härter ausgefallen als in Bayern. Die „tiefe Spaltung unserer Gesellschaft in Hinblick auf verschiedene soziale Situationen“, Pflege, Renten, Mieten, Wohnungsbau, Familien, Kinder nennt Seehofer als die Knackpunkte. „Ein Weiter-So ist nicht möglich. Wir sagen den Wählern, wir haben verstanden.“ Die Bekämpfung der AfD erfolge wenn, dann „durch Problemlösung.“ Die Probleme liegen in Seehofers Weltsicht bei der Schwesterpartei, nicht bei der eigenen.

Das sehen Experten anders. Heinrich Oberreuter, der Passauer Politologe mit lebenslanger CSU-Erfahrung sagt, alle Beobachter und alle Politiker hätten „die Wähler unterschätzt“. Seehofers „Kraftprotzerei“ – gestützt auf Umfragen, die ihm noch in der letzten Woche vor der Wahl bis zu 48 Prozent versprachen – habe „bei den Wählern nicht verfangen“.

Ursula Münch von der Politischen Akademie des Freistaats in Tutzing meint, Seehofer werde sich noch eine Weile halten können, weil das Wahlergebnis unterschiedliche Interpretationen zulasse: War die Nachgiebigkeit der CSU gegenüber der Merkel-CDU schuld? Auf jeden Fall sei man „völlig unvorbereitet da hineingeraten.“ Und die Wähler, die sich von der CSU abgewendet haben, hätten das aus Unzufriedenheit getan: Sie hätten sich in der Flüchtlingsfrage „nicht verstanden“ und – der AfD-Polemik zufolge – den Rechtsstaat missachtet gesehen.

Druck im Kessel CSU

Auf die Frage, ob er je daran gedacht habe, das Handtuch zu werfen, sagt Seehofer: „Nö.“ Im Parteivorstand aber hat es durchaus solche Forderungen gegeben. Und auch Professor Oberreuter meint, der „Druck im Kessel CSU“ entwickle „allmählich eine Explosionskraft, die auch für Seehofer nicht zu steuern sein wird.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2017)

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