Warum saudische Frauen bald Auto fahren dürfen

König Salman.
König Salman. (c) imago/ITAR-TASS (Alexander Shcherbak)
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Analyse. Das saudiarabische Königshaus will durch innenpolitische Reformen international punkten, um Rückendeckung für seine regionale Hardliner-Strategie gegenüber dem Iran, Katar und dem Jemen zu erhalten.

Kairo.„No women, no drive“, hatte der saudische Social Media Aktivist Hisham Fegeeh vor vier Jahren den bekannten Bob-Marley-Song sarkastisch umgeschrieben und online gestellt. Nach über 14 Millionen Klicks ist seine Parodie auf das saudische Frauenfahrverbot nun Geschichte. Am Dienstagabend hat der saudische König Salman das Verbot per Dekret aufgehoben. Saudische Frauen sollen nun einen Führerschein machen dürfen und erhalten damit das Recht, auch in Saudiarabien Auto zu fahren.

Saudische Frauenaktivistinnen feierten. Wie etwa Latifa Al-Scaalan, die erste Frau die als Abgeordnete in den Shura-Rat eingezogen ist, einem Gremium, das dem König beratend zur Seite steht. Sie brach im saudischen Fernsehen sogar in Tränen aus. „Um ehrlich zu sein: Ich finde keine Worte, um das auszudrücken, was saudische Frauen empfinden, auch an Dankbarkeit für den König, der seinem Land einen Sieg geschenkt hat für die Menschen – und besonders die Frauenrechte“, sagte sie im saudischen Fernsehen.

Frauenrechtlerin Sahar Nassif gab sich ebenfalls überschwänglich. Sie werde sich nun ihr Traumauto kaufen, einen schwarz-gelben Mustang Cabriolet, sagte sie. Damit kann sie aber noch nicht gleich losfahren. Laut dem Dekret sollen die zuständigen saudischen Ministerien innerhalb von 30 Tagen einen Plan erstellen, wie das Dekret implementiert wird. Spätestens im Juni nächsten Jahres ist es dann soweit, dass sich die saudischen Frauen ganz offiziell hinters Steuer setzen können.

Manal Sharif war eine der Ikonen der saudischen „#women2drive“ Kampagne, die 2013 begann. Sie musste vor fünf Jahren sogar ins Gefängnis, weil sie sich aus Protest gegen das Frauenfahrverbot ans Steuer gesetzt hatte. Sie blickt nach vorne. „Das war nur ein erster Tropfen, mit dem der Regen beginnt“, schreibt sie in einer Presseerklärung. Und macht deutlich, wo die nächste Etappe des Kampfes der saudischen Frauen liegt: „Wir werden unsere Kampagne gegen die rechtliche männliche Vormundschaft über die saudischen Frauen fortführen. Wir wollen nicht weniger als die volle Gleichheit zwischen Frau und Mann.“

Männlicher Vormund nötig

In Saudiarabien muss bis heute jeder amtliche Schritt, den Frauen unternehmen von einem männlichen Vormund, meist dem Vater oder dem Bruder, abgesegnet werden. Das ist die nächste Diskriminierungshürde, die die saudischen Frauenrechtlerinnen jetzt zu Fall bringen wollen. Immerhin, um einen Führerschein zu machen, brauchen die saudischen Frauen keine Zustimmung eines männlichen Vormunds, heißt es.

Je mehr das Königshaus durch innere Reformen international punktet, desto mehr Unterstützung erhofft es für seine Hardliner-Politik gegen Iran, Katar und die eigene schiitischen Bevölkerung im Osten des Landes sowie im Jemen-Krieg.

Mit einem Handstreich hat der König die jahrzehntelangen Bedenken seiner ultrakonservativen islamischen Geistlichkeit weggewischt. Nun drehen sich die meisten Scheichs schnell nach dem Wind und erklären nun, dass es keine Regel im Islam gebe, die den Frauen das Autofahren verbiete. Aber das sind nicht die einzigen Verlierer des neuen Dekrets. Nach Schätzungen arbeiten 800.000 Migranten in Saudiarabien als Chauffeure. Viele werden bald arbeitslos sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2017)

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