Der letzte Mohikaner und die abgesagte CSU-Palastrevolte

Horst Seehofer inszeniert sich gerne als starker Mann der CSU. Seine Position ist nun aber geschwächt.
Horst Seehofer inszeniert sich gerne als starker Mann der CSU. Seine Position ist nun aber geschwächt. (c) REUTERS (Michaela Rehle)
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CSU-Chef Seehofer kanzelte Kritiker ab und rettete vorerst seine Haut. Rivale Söder brachte Truppen in Stellung.

Wien/München. „Pudelwohl“, um nicht zu sagen „sauwohl“: So beschrieb Horst Seehofer neulich in Berlin seinen Gemütszustand zwei Tage nach dem Wahldebakel seiner CSU in Bayern. Es machte den Anschein, als habe das Rumoren in der Partei über den großen Vorsitzenden den Kampfgeist des CSU-Chefs und Ministerpräsidenten geweckt. Der 68-Jährige fühlte sich jedenfalls ganz in seinem Element und stellte vor den Kameras hintersinnig-verschmitzt sein typisches Seehofer-Lächeln zur Schau.

Seine Getreuen sprangen ihm bei, nicht zuletzt Edmund Stoiber, der als Ex-Parteichef und ehemaliger Ministerpräsident über eine gewichtige Stimme verfügt. Sie sollten die grassierenden Spekulationen über einen Stabwechsel an der Spitze der Partei und der Münchner Staatskanzlei eindämmen. Alexander Dobrindt, der frisch gewählte Chef der CSU-Landesgruppe in Berlin, stellte die Gerüchte über eine Palastrevolte in der CSU entschieden in Abrede. Selbst Ex-Minister Peter Ramsauer, alles andere als ein Intimus Seehofers, bezeichnete den CSU-Chef als das stärkste „Kampfross“. „Das Allerdümmste wäre eine Personaldebatte.“

Die gibt es allen Dementis zum Trotz allerdings doch. Besonders auffällig war, dass sich ausgerechnet Vertraute Markus Söders, des Finanzministers, Kronprinzen und Intimfeindes Seehofers, und Gefolgsleute aus dessen fränkischem Landesverband mit Rücktrittsforderungen zu Wort meldeten. Seehofer will die Nachfolgeavancen Söders unter allen Umständen vereiteln und reaktivierte jüngst sogar Karl-Theodor zu Guttenberg aus dem US-Exil als Wahlhelfer. Seither rätselt Deutschland über die Comebackpläne des Freiherren – womöglich als Minister in Berlin. Guttenberg schlug sich auch jetzt demonstrativ auf die Seite seines Mentors.

Revanche und offene Rechnungen

Die Rücktritts-Kampagne wirkte wie orchestriert. Söder selbst hielt sich zwar im Hintergrund, zeigte sich jedoch besorgt – oder in gespielter Sorge – über den Zustand der CSU ein Jahr vor der Landtagswahl in Bayern. Er erinnerte an die Devise Seehofers: Ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl sei die beste Ausgangslage für die Landtagswahl und die Verteidigung der absoluten Mehrheit – seit jeher Anspruch der CSU, um ihre Position als bundespolitische Kraft zu behalten. Die Partei könne jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Auch zwei Polit-Rentner sahen die Zeit gekommen für eine Revanche. Günther Beckstein und Erwin Huber, das Kurzzeit-Gespann als Ministerpräsident und Parteichef in der Prä-Seehofer-Ära, erklärten vor einer Sitzung des CSU-Vorstands, unter ihrer Führung hatten die Parteifreunde einen derartigen Absturz nicht toleriert. Sie haben eine offene Rechnung mit Seehofer offen, seit er sie 2008 nach einer Schlappe bei den Landtagswahlen von der Macht putschte.

Bei der Bundestagswahl war die CSU auf einen historischen Tiefstand unter die 40-Prozent-Marke gefallen – mit einem Minus von mehr als zehn Prozent. Umgekehrt erreichte die AfD mit 12,4 Prozent das beste Resultat in Westdeutschland. Dabei hatten interne Umfragen noch eine Woche vor der Wahl 47 Prozent für die CSU ausgewiesen.

Seehofers Kursschwenk

In der Nachwahlanalyse machten viele Seehofers sprunghaften Kurs als Übel aus. Erst hatte er sich in der Flüchtlingspolitik zum Gegenspieler Merkels stilisiert – samt Forderung nach einer Obergrenze und der Androhung einer Verfassungsklage. Letztlich schwenkte er, um des Parteifriedens willen, in einen kuschelweichen Kurs um. Es schwächte Seehofers Position als starken Mann der Union.

Der gewiefte Taktiker Seehofer wusste also um die Stimmungslage in der Landtagsfraktion, die 2007 nach tagelangen Solidaritätsadressen in einer Nacht-und-Nebelaktion in Wildbad Kreuth Edmund Stoiber vom Thron stürzte. Als Erfolgsgarant für die CSU hatte Stoiber damals seinen Zenit überschritten und viele Parteifreunde mit seinen Alleingängen vor den Kopf gestoßen.

Mit seiner Ansage, die rechte Flanke zu schließen und bei den Koalitionsverhandlungen auf eine Obergrenze zu pochen, wollte Seehofer den Kritikern nun von Anfang an den Wind aus den Segeln nehmen. Die Personalfrage, so kündigte er an, würde beim Parteitag Mitte November in Nürnberg zur Debatte stehen – just in Söders Heimatstadt.

Im CSU-Vorstand forderte er seine Gegner um Söder offen heraus: „Wenn jemand das anders sieht, dann soll er es sagen.“ In der Landtagsfraktion kanzelte er nun seine Kritiker ab. Der Schaden sei bereits angerichtet, es gehe um Inhalte und die Positionierung einer geschwächten CSU vor den Koalitionsverhandlungen in Berlin.

Die Palastrevolte scheint vorerst jedenfalls abgewendet, die Personaldebatte vertagt. Seehofer rühmt sich derweil: „Ich bin der letzte Mohikaner, der übrig ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2017)

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