Guttenberg: „Berlin wird sich in einen Basar verwandeln“

Karl Theodor zu Guttenberg.
Karl Theodor zu Guttenberg.(c) imago/Sven Simon (FrankHoermann/SVEN SIMON)
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Koalitionsverhandlungen. Auf seiner Stippvisite in Wien malte Karl-Theodor zu Guttenberg ein düsteres Bild der deutschen Politlandschaft.

Wien. Eigentlich sollte der Fokus am Donnerstag auf den Herausforderungen der Digitalisierung liegen. Doch die Wiener Konferenz „Darwin's Circle“ mit internationalen Vertretern von Amazon über Google bis Facebook bekam eine deutlich außenpolitische Schlagseite, als der aus New York eingeflogene deutsche Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Bühne bestieg. In recht schonungslosen Worten sezierte er die Lage in Berlin nach der Bundestagswahl vergangenen Sonntag.

„Um ehrlich zu sein: Fast nichts ist gut nach diesen Wahlen in Deutschland“, resümierte Guttenberg. Man habe das erste Mal eine extrem rechte Partei im Parlament, die auch aus „einer beträchtlichen Gruppe an Verrückten“ bestehe. Dennoch müsse man sie und ihre Wähler ernst nehmen.

Nachdem die SPD den Gang in die Opposition verkündet hat, bleibt Angela Merkel nur eine sogenannte Jamaika-Koalition, in der die Kanzlerin mit FDP und Grünen zusammenarbeiten müsste, deren Programme weit auseinanderliegen. Guttenberg erwartet die komplexesten Koalitionsverhandlungen, die das Land seit Jahrzehnten erlebt hat. „Berlin wird sich in einen Basar verwandeln.“ Angela Merkel werde aber einen Kompromiss herbeiführen, endete Guttenberg auf einer optimistischeren Note.

Erst wenige Tage zuvor hatte der ehemalige Verteidigungsminister in einem Interview mit dem US-Sender Bloomberg indirekt Kritik an der Kanzlerin geübt und damit Wellen in seiner Heimat geschlagen. Darin sagte er: „Es gibt schon Gerüchte, ob das die letzten vier Jahre der Kanzlerin sind und ob so ein Ergebnis nicht in ein paar Jahren Konsequenzen haben muss.“ Im Vorfeld der Bundestagswahl hatte er sich drei Wochen für CSU und die Wiederwahl Merkels eingesetzt. Angesprochen auf den Bloomberg-Bericht zeigte er sich in Wien erstaunt über dessen starke Resonanz in Deutschland.

Eine Rückkehr in die Politik, über die in den vergangenen Wochen spekuliert wurde, schloss Guttenberg abermals aus. Er habe seine Chance gehabt und sie vertan, sagte er in Bezug auf die Plagiatsaffäre, die ihn 2011 zum Rücktritt zwang. „Ich bin jetzt in der glücklichen Situation, dass ich Dinge frei heraus ansprechen kann und mich nicht darum kümmern muss, ob sie Gefallen finden.“ Mit Kommentaren werde er sich auch zukünftig nicht zurückhalten. (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2017)

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