Friedensnobelpreis geht an Anti-Atomwaffen-Kampagne

REUTERS/Denis Balibouse
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"Wir leben in einer Welt, in der das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes größer ist als seit langer Zeit", begründet das Nobelpreiskomitee. ICAN wurde in Wien gegründet.

Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). "Wir leben in einer Welt, in der das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes größer ist als seit langer Zeit", erklärte die Vorsitzende des norwegischen Nobelpreiskomitees, Berit Reiss-Andersen, am Freitag in Oslo. "Einige Staaten modernisieren ihre nuklearen Arsenale, und die Gefahr, dass sich weitere Länder Atomwaffen beschaffen, ist real, wie es Nordkorea zeigt."

Das Bündnis von rund 450 Mitgliedsorganisationen erhalte die Auszeichnung für ihre Arbeit, mit der sie auf die "katastrophalen humanitären Folgen" von Atomwaffen aufmerksam mache und für ihre "bahnbrechenden Bemühungen", ein Verbot solcher Waffen auf Basis eines Vertrags zu erreichen. Der diesjährige Friedensnobelpreis sei auch ein Aufruf an alle Atommächte, "ernsthafte Verhandlungen mit dem Ziel einer schrittweisen, ausgewogenen und sorgfältig überprüften Vernichtung der fast 15.000 Atomwaffen in der Welt zu beginnen", sagte Reiss-Andersen. 

Zuletzt hatte ein Atomtest Nordkoreas, auf den US-Präsident Donald Trump mit hitzigen Drohungen reagierte, die Furcht vor einer atomaren Auseinandersetzung geschürt. Auch die Zukunft des international gefeierten Atomabkommens mit dem Iran scheint unsicher, weil Trump die Vereinbarung in Zweifel zieht. Die erst 34 Jahre alte ICAN-Chefin Beatrice Fihn formulierte ihre Botschaft an Trump und Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un so: "Der Besitz von Atomwaffen ist illegal, die Entwicklung von Atomwaffen ist illegal: Sie müssen das beenden", sagte sie in Genf.

Österreich initiierte Initiative mit

Die 2007 in Wien gegründete Organisation setzte sich unter anderem für das Verbot von Atomwaffen ein, das am 7. Juli von 122 UN-Mitgliedstaaten beschlossen worden war. Der Vertrag tritt in Kraft, wenn 50 Staaten ihn ratifiziert haben. ICAN hofft, dies bis Ende 2018 zu erreichen. Initiiert wurden die Verhandlungen über den Vetrag in der UNO 2014 von einer kleinen Staatengruppe, zu der unter anderen Österreich und Irland zählten. Da das Abkommen von den Atommächten und der NATO boykottiert wird, hat es derzeit lediglich symbolischen Charakter. Auch Deutschland bekräftigte am Freitag, es werde an Atomwaffen festhalten, solange diese als Mittel militärischer Auseinandersetzungen betrachtet werden.

Die Entscheidung des Komitees für die relativ unbekannte Organisation sorgte teils für Irritationen. Als Favorit für die Auszeichnung waren im Vorfeld Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini gehandelt worden, die die Einigung über das Atomabkommen mit dem Iran erzielt hatten. "Das norwegische Nobelpreiskomitee hat seine eigenen Vorstellungen, aber die Atomvereinbarung mit dem Iran ist ein realer Erfolg und hätte den Preis verdient", kritisierte der frühere schwedische Ministerpräsident Carl Bildt.

Im vergangenen Jahr hatten die fünf Mitglieder des Nobelkomitees Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos ausgezeichnet. Er erhielt den Nobelpreis für "seine entschlossenen Anstrengungen, den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg in dem Land zu beenden".

Der mit neun Millionen schwedischen Kronen (rund 940.000 Euro) dotierte Friedensnobelpreis wird als einzige der renommierten Auszeichnungen nicht in Stockholm, sondern in Norwegens Hauptstadt Oslo vergeben. Hier wird der Preis am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter Alfred Nobel, auch verliehen. Zweimal erhielten bisher Österreicher die Auszeichnung: 1905 die Schriftstellerin und Pazifistin Bertha von Suttner und 1911 der Journalist Alfred Hermann Fried.

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Der Friedensnobelpreis gilt als wichtigste politische Auszeichnung der Welt. Ins Leben gerufen wurde er vom 1896 gestorbenen schwedischen Dynamit-Erfinder Alfred Nobel. Zwei Österreicher erhielten die Auszeichnung bisher: 1905 die Friedensaktivistin Bertha von Suttner, 1911 der Journalist und Suttner-Mitstreiter Alfred Hermann Fried.

Nobel beauftragte das norwegische Parlament in seinem Testament, jährlich bis zu drei Persönlichkeiten oder Organisationen für ihre Verdienste um die Menschheit zu ehren. Ausgezeichnet werden soll, wer "am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker gewirkt hat, für die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen".

Seit 1960 werden auch der Einsatz für Menschenrechte und seit 2004 das Wirken für die Umwelt geehrt. Die Auszeichnung für Frieden wird als einziger der fünf Nobelpreise im norwegischen Oslo statt in Schwedens Hauptstadt Stockholm vergeben.

Die Preisträger werden im Oktober bekannt gegebenen, erhalten ihre Medaille und Urkunde aber erst am Todestag Nobels, dem 10. Dezember. Dazu gibt es ein Preisgeld von derzeit acht Millionen schwedischen Kronen (rund 840 000 Euro).

(APA/dpa/Reuters/red.)

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