Wahlsieg in Niedersachsen stabilisiert Schulz als SPD-Chef

Stephan Weil sichert Martin Schulz dank dessen Wahlsieg in Niedersachsen als SPD-Parteichef ab.
Stephan Weil sichert Martin Schulz dank dessen Wahlsieg in Niedersachsen als SPD-Parteichef ab.APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
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Die SPD stoppt mit mit der Niedersachsenwahl ihren Abwärtstrend. Nach drei Wahlniederlagen ein Erfolg für Parteichef Schulz. Die interne Konkurrenz stärkt ihm den Rücken - noch.

Am Tag nach dem ersten SPD-Wahlsieg in seiner Amtszeit als Parteichef spricht Martin Schulz viel von Geschlossenheit und Disziplin. Bei der kurzen traditionellen Blumenübergabe an den Wahlsieger Stephan Weil am Montag verwendet Schulz diese Begriffe immer wieder.

Der Wahlsieg in Niedersachsen habe gezeigt, dass die SPD "zu großer Geschlossenheit, zu großer Disziplin" in der Lage und dann erfolgreich sei. Es klingt wie eine Beschwörungsformel in eigener Sache, ein Appell an die eigene Partei. Schulz ringt seit dem Debakel bei der Bundestagswahl um seine Autorität. Der Sieg in Hannover verschafft ihm Luft für eine Wiederwahl als Parteichef im Dezember. Die SPD will unbelastet von einer Personaldebatte über den Neuanfang beraten, den sich alle auf die Fahnen geschrieben haben.

APA

Ein Erfolg nach vier Niederlagen

Vier Wahlen haben die Sozialdemokraten in der kurzen Amtszeit von Schulz verloren, bevor sie am Sonntagabend erstmals jubeln durften. "Das ist ein großartiger Sieg für die niedersächsische SPD, ein großartiger Erfolg für Stephan Weil", sagte Schulz am Wahlabend unter dem Beifall der SPD-Anhänger im Willy-Brandt-Haus in Berlin. Die Erleichterung war dem 61-Jährigen anzusehen, an dessen Seite Fraktionschefin Andrea Nahles und Familienministerin Katarina Barley strahlten.

Schulz lässt am Wahlabend keinen Zweifel aufkommen, dass er nicht an Rückzug denkt. "Ab morgen müssen wir uns daran machen, all die Herausforderungen, vor denen wir als Partei stehen, anzupacken", sagt er. Das sei "ein Stückchen besser möglich jetzt mit dem Rückenwind aus Hannover. Für den Neuanfang würden in den nächsten Monaten vor allem Nahles als Chefin der Fraktion arbeiten "und ich selbst als der Vorsitzende der Partei".

Konkurrenz stärkt Schulz vorerst den Rücken

Nahles und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig gehören zu den einflussreichsten Fädenziehern in der SPD-Spitze. Für Schulz ist es ein wichtiges Signal, dass sie ihn öffentlich unterstützen. Schwesig, der in der SPD Ambitionen auf den Parteivorsitz in zwei Jahren zugetraut werden, stärkt ihm den Rücken. Für sie sei direkt nach der Niederlage bei der Bundestagswahl klar gewesen, dass Schulz Parteichef bleibe: "Und das bleibt jetzt auch so, erst recht nach dieser erfolgreichen Niedersachsenwahl."

Sieben Monate steht Schulz an der Spitze der Partei, drei verlorene Landtagswahlen und das schlechteste SPD-Ergebnis bei einer Bundestagswahl hat er bereits kommentieren müssen. Der SPD-Parteivorstand berät am Montag über die nächsten Wochen bis zum Bundesparteitag Anfang Dezember, die Bundestagsfraktion will sich bei einer Klausursitzung am Dienstag für die Arbeit in der Opposition einrichten. Zwar rumort es in der SPD, da sich manch einer fragt, welche Orientierung Schulz der Partei geben will. Mit einer Revolte wird aber nicht gerechnet. "Wir werden mit ihm weitermachen", sagte ein Mitglied der Parteiführung am Sonntagabend. Verschiedene Stimmen auch vom linken Parteiflügel deuten darauf hin, dass es wohl darauf hinausläuft.

SPD-Vizechef Ralf Stegner, der öffentlich zu den klarsten Unterstützern von Schulz zählt, spricht dies am Abend am deutlichsten aus. "Martin Schulz führt die Partei, und er führt sie, glaube ich, wirklich großartig", sagt Stegner. "Und er wird den Erneuerungsprozess jetzt auch einleiten in Richtung einer linken Volkspartei, die sich deutlich gegen die Union stellt."

Scholz zurückhaltender

Bei der SPD wird registriert, dass Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz am Sonntagabend nicht mit auf dem Podium steht. Auch er ist SPD-Vize, gilt aber als jemand, der in der Reserve stünde, sollte Schulz beim Neuanfang der SPD nicht konkreter werden. Bei der Blumenübergabe am Montag ist Scholz in der Führungsriege mit dabei. Ein klares Bekenntnis zu Schulz ist von ihm aber nicht zu vernehmen. Auf die Frage, ob Schulz nun stabilisiert sei, äußert sich Scholz in der ARD am Sonntagabend nicht zur Zukunft des Parteichefs, schreibt den Wahlerfolg ganz dem niedersächsischen Ministerpräsidenten zu: "Martin Schulz ist Vorsitzender. Und es ist gut für die SPD und ihn, dass wir dieses Wahlergebnis haben. Großen Dank an Stephan Weil."

In der SPD wird nun gemahnt, über den Sieg in Hannover nicht die Aufarbeitung des erst drei Wochen alten Debakels bei der Bundestagswahl zu vergessen. "Niemand betrachtet dieses Wahlergebnis in Niedersachsen als Beruhigungspille", sagt Weil am Montag. Fraktionschefin Nahles gab schon wenige Tage vor der Landtagswahl für den Fall eines SPD-Sieges zu bedenken: "Ich warne davor, dann in Gut-Wetter-Stimmung zu verfallen nach dem Motto: Ach, so schlimm ist die Lage der SPD ja gar nicht. Bei 20,5 Prozent im Bund gibt es keinen Grund, sich das Ergebnis schönzureden." Schulz meint, die Kampfkraft der SPD als Partei sei ungebrochen: Die SPD habe seit Ende Jänner fast 30.000 neue Mitglieder hinzugewonnen. Am Wahlabend nahm der Parteichef ein Mitglied persönlich auf: Der 60-jährige Peter Laws aus dem brandenburgischen Mahlow südlich von Berlin überreichte ihm vor laufenden Kameras seinen Aufnahmeantrag.

Der Erfolg in Niedersachsen führt den Genossen aber auch vor Augen, dass die SPD mit dem richtigen Kandidaten an der Spitze doch noch gewinnen kann - auch unter schwierigen Bedingungen. Weils SPD in Niedersachsen hatte schon bei der Bundestagswahl mit 27,4 Prozent bundesweit das beste Ergebnis geholt. Binnen drei Wochen legte sie noch zehn Prozentpunkte drauf. Zu einem nochmaligen Nachdenken über Schulz als Parteichef scheint das vorerst nicht zu führen. Dem Wahlsieger Weil werden keine bundespolitischen Ambitionen nachgesagt: Er äußerte sich stets als Unterstützer von Schulz, seines Einflusses als Chef des letzten von der SPD noch regierten großen Flächenlandes ist sich Weil auch ohne Parteiamt gewiss. Und Nahles sagt am Wahlabend: "Martin Schulz ist und bleibt Parteivorsitzender."

(APA/Reuters)

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