Ein Oligarch greift nach der Macht

Andrej Babiš: Wahlgewinner in Tschechien.
Andrej Babiš: Wahlgewinner in Tschechien.REUTERS
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Gegen ihn wird wegen Betrugs ermittelt, aber Andrej Babiš geht bei der Parlamentswahl in Tschechien als Sieger hervor. Eine Koalitionsbildung dürfte ihm allerdings schwerfallen.

„Jetzt oder nie!“ - mit diesen Worten beendete Andrej Babiš regelmäßig seine Auftritte im Wahlkampf um das tschechische Abgeordnetenhaus. Das „Oder nie“ kann er jetzt getrost vergessen:Er gewann die Parlamentswahl am Samstag mit einem großen Vorsprung gegenüber seiner Konkurrenz. Musste er sich in den vergangenen Jahren noch mit der Rolle des Juniorpartners in einer sozialdemokratisch geführten Regierung bescheiden, kündigte Präsident Miloš Zeman am Sonntag an, ihn mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Damit ist Babiš am Ziel seiner Träume angelangt.

Die 29,6 Prozent, die der Chef der Anti-System-Bewegung ANO  einfuhr, machen die Suche nach Koalitionspartnern erforderlich. Und die dürfte nicht ganz einfach werden. Nahezu alle infrage kommenden Partner sträuben sich zwar nicht gegen die Bewegung ANO an sich, wohl aber gegen Babiš als Premier. Denn er hat sie im harten Wahlkampf persönlich beleidigt, bezeichnete sie allesamt als „korrupt“ und „unfähig“ und ließ kein gutes Haar an ihnen – egal, ob aus dem rechten oder linken Spektrum.

Die Wähler haben ihm in seiner Einschätzung ja recht gegeben. Obwohl es den Tschechen gut geht, das Land prosperiert und mit 3,8 Prozent die EU-weit niedrigste Arbeitslosenrate aufweist. Eine reine Protestwahl hat Tschechien nicht erlebt. „Wir haben Babiš gewählt, weil er es einfach besser kann als die etablierten Parteien“, sagte etwa die Familie Horákovi beim Verlassen ihres Wahllokals im vierten Prager Bezirk. „Babiš ist ein Macher, er versteht etwas von Unternehmensführung. Und er sagt, dass er den Staat auch wie ein Unternehmen führen will. Wenn ihm das gelingt, kann es für uns nur gut sein.“

Dass die Suche nach Koalitionspartnern schwer wird für den 63-jährigen gebürtigen Slowaken, hat mit seiner eigenen Person zu tun. Wenn alles schlecht läuft für ihn, dann kommt er womöglich demnächst in Untersuchungshaft. Gegen Babiš läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs. Er soll zu Unrecht für sein Wellness-Resort Storchennest unweit von Prag EU-Mittel kassiert haben. Umgerechnet etwa zwei Millionen Euro. Peanuts zwar für ihn, dessen Vermögen auf mehrere Milliarden Dollar geschätzt wird. Glaubt man jedoch der Anklageschrift, dann hat Babiš das Storchennest bewusst aus seinem umfangreichen Imperium herausgelöst, um das EU-Geld zu bekommen, das für kleine und mittlere Unternehmen vorgesehen ist. Nach dem Ablauf der Kontrollfrist von fünf Jahren habe er die Wellness-Oase wieder in seinen Konzern integriert.

„Die Vorstellung, dass Babiš als Betrüger der EU künftig mit den anderen Staats- und Regierungschefs der Union verhandeln wird, ist der Reputation unseres Landes völlig abträglich“, heißt es bei den potenziellen Partnern von ANO. Zumal Babiš gerade in der EU keineswegs vorhat, nur am Katzentisch zu sitzen. Da war bisher oft genug der Platz der Tschechen, weil ihr Führungspersonal Schwierigkeiten hatte, Englisch zu sprechen. Das soll unter Babiš anders werden: „Wenn uns die EU nicht gefällt, so wie sie derzeit funktioniert, dann müssen wir endlich eigene Vorschläge machen, wie es besser funktionieren kann. Das war bisher aber nicht möglich, weil wir uns nicht einmal verbal verständlich machen konnten.“

Babiš ist bei all seiner Kritik an der EU kein EU-Gegner. Einen Czexit, wie ihn andere in Prag wollen, lehnt er strikt ab: „Die EU ist gut für uns, wenn die Grundfreiheiten dort funktionieren. Aber sie funktionieren schlecht. Weshalb etwa sollen wir dem Euroraum beitreten, wenn es uns anders besser geht? Weshalb denkt man sich Quoten für Flüchtlinge aus, die in der Praxis eh nicht funktionieren?“, fragt er.

Babiš kann verhandeln, schließlich ist er Unternehmer. Einer seiner engeren Freunde ist Fleischfabrikant und Schalke-Boss Clemens Tönnies, mit dem er auch schon bei den Blauen auf der Tribüne des Stadions in Gelsenkirchen saß. Und fragt man die Stadtoberen in der anhaltischen Luther-Stadt Wittenberg, wo er mit dem benachbarten Düngemittelwerk Piesteritz der größte Investor ist, hört man nur lobende Worte. Babiš motiviere seine Arbeitskräfte mit vorbildlichen sozialen Einrichtungen und saniere auch alte Bürgerhäuser. „Einfach so, mir macht das Spaß“, begründet er sein Engagement.

Erfundene Fälle. In Tschechien preisen ihn seine Arbeiter und Angestellten ebenfalls. Allerdings soll er dort auch Ausländer zu deutlich schlechteren Konditionen beschäftigen. Babiš ficht derlei nicht an. Kritik an ihm wischt er mit der Bemerkung weg, dass es sich dabei stets um „völlig erfundene Fälle“ handle, die ihn in den Augen der Wähler diskreditieren sollen. Seine Wähler erwiesen sich unterdessen als immun gegen solche Vorwürfe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2017)

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