Japan: Haushoher Sieg für Premier Abe

Japans Regierungschef Shinzo Abe
Japans Regierungschef Shinzo Abe(c) REUTERS (KIM KYUNG-HOON)
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Der regierende Liberaldemokrat Shinzo Abe hat nach der Wahl am Sonntag gute Chancen auf den Erhalt einer Zweidrittelmehrheit. Die Wähler wollten politische Stabilität.

Am Ende steht ein überlegener Sieg. Japans Regierungschef Shinzo Abe konnte am Sonntag bei der vorgezogenen Wahl für das Unterhaus eine triumphale Mehrheit erreichen. Die konservative Koalition aus Liberaldemokratischer Partei und der buddhistisch orientierten Komeito gewinnt nach letzten Prognosen 311 der 465 Mandate in der wichtigsten Kammer des Reichstages, die auch den Premierminister wählt. Das endgültige Amtsergebnis wird nicht vor Montag ermittelt werden können, weil ein schwerer Taifun Auszählung und Transport der Stimmen in mehreren Regionen des Inselreiches verzögert.

Generell ging es stürmisch zu bei diesem Votum. Der Ausgang war lange nicht absehbar, politische Freunde bangten während eines unerwartet spannenden Wahlkampfes sogar ums politische Überleben des 63-jährigen Partei- und Regierungschefs, warfen ihm Selbstüberschätzung vor. Aber der Spross einer Politikerdynastie konnte auf der Zielgeraden alle zwischenzeitlich hochgelobten Rivalen deutlich hinter sich lassen.

Abgesang für Pazifismus-Doktrin

Mit einer möglichen Zweidrittelmehrheit wird er seinen Kurs sogar forcieren können. Der Premier, der seit Dezember 2012 wieder regiert, plädiert für eine härtere Gangart gegenüber Nordkorea, das vor wenigen Wochen Raketen durch Japans Luftraum schoss, und Japan mit „Auslöschung“ drohte. Abe steht für enge Beziehungen zu den USA, die er bei dem baldigen Besuch von Präsident Donald Trump Anfang November in Tokio untermauern wird. Abe wird Nippons lockere Geldpolitik weiterführen und sich für den Wiedereinstieg in die Atomenergie stark machen.

Die Majorität gibt dem Premier vor allem grünes Licht für sein seit Jahren verfolgtes Ziel einer Verfassungsänderung. Abe will die pazifistische Nachkriegskonstitution revidieren, den „Selbstverteidigungskräften“, wie die Streitkräfte heißen, das Recht auf Verteidigung gemäß der UN-Charta gewähren und wieder eine „normale“ Militärmacht werden. Für ein Referendum braucht die Regierung Zweidrittelmehrheiten im Reichstag.

Nun kann Abe auch seinen Posten als LDP-Chef absichern, der 2018 zur Abstimmung steht und ihm dann faktisch drei weitere Jahre als Premier beschert. Der Wähler gibt der LDP auch ein Mandat für die extrem umstrittene Erhöhung der Mehrwertsteuer, die 2019 auf zehn Prozent ansteigen soll. Die Mehreinnahmen will die Regierung zur Kinder- und Altenbetreuung einsetzen.

Die Entscheidung, dieses Votum um gut ein Jahr vorzuziehen, war sehr umstritten. Die Opposition warf Abe vor, sich so vor einer Anhörung wegen Günstlingswirtschaft zu drücken. Diverse Skandale und vage Ausflüchte seinerseits hätten sein Image beschädigt. Viele Japaner werfen Abe Arroganz und Amtsmissbrauch vor. Der Sieg wird sein Ansehen nur bedingt aufpolieren. Japans Bürger, so der erste Tenor der Kommentare, wählten vor allem Stabilität.

Schräge Oppositions-Wahlversprechen

Die Opposition war zu schwach, um sich überzeugend zu ordnen und zu positionieren. Es fehlte an Personal, Erfahrung, Ressourcen und Zeit, um in allen 289 Wahlkreisen Kandidaten küren zu können. Am Ende konnte überraschend die neu formierte Konstitutionelle Partei zulegen. Mit dem Charme des Außenseiters punktete deren Vorsitzender Yukio Edano, der als Regierungssprecher das Gesicht Japans während der Reaktorkrise 2011 prägte. Er fiel als prinzipientreuer Gegner einer Verfassungsreform auf.

Die zeitweise in Umfragen knapp hinter Abe liegende Tokioter Gouverneurin Yuriko Koike hat mit der Gründung der Partei der Hoffnung erst viele begeistern können, weil sie eine „Politik ohne Fesseln“ ansteuerte und die Verflechtungen zwischen Regierung, Bürokratie und Industrie anprangerte. Dann wich die Euphorie für sie, weil die populäre Koike, die erst 2016 überraschend zur Bürgermeisterin der Megacity gewählt wurde, diesen Job nicht aufgeben wollte und daher nicht selbst kandidierte. Zudem waren viele ihrer Wahlversprechen extrem unrealistisch: Beispielsweise „null Heuschnupfen“ in einem Land, wo Millionen Zedern bei Millionen Menschen Pollenallergie auslösen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2017)

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