Streben nach Unabhängigkeit: Wieso es in Norditalien wackelt

Lega Nord
Lega Nordimago/Italy Photo Press
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In der Lombardei und in Venetien ergaben Referenden am Sonntag extreme Mehrheiten für mehr Autonomie. Es geht primär ums Geld. Abspalten will man sich nicht.

Rom.Vor dem Hintergrund der angespannten Lage wegen der Sezessionstendenzen der spanischen Region Katalonien haben Referenden in der Lombardei und in Venetien, Italiens reichsten Regionen, am Sonntag klare Mehrheiten für den Wunsch nach mehr Autonomie erbracht: In der Lombardei (Hauptstadt Mailand) stimmten 95,5 Prozent der Befragten mit Ja, in Venetien (Hauptstadt Venedig) 98,1 Prozent.

Rund zwölf Millionen Menschen waren zum Votum aufgerufen, die Wahlbeteiligung betrug nur rund 38 Prozent in der Lombardei, rund 60 Prozent in Venetien. Im reichen Norditalien gibt es seit Langem Tendenzen, sich vom ärmeren Süden und dem „Moloch“ Rom abzusetzen. Worum geht es dabei?


Worüber am Sonntag überhaupt abgestimmt wurde:
In der Lombardei und in Venetien wurde abgestimmt, ob sich die jeweilige Regionalverwaltung bei der Zentralregierung in Rom für mehr Autonomie einsetzen soll. Anders als in Katalonien ging es nicht um eine Abspaltung von Italien, zudem waren die Befragungen von der Verfassung erlaubt: 2001 wurden in die Verfassung Artikel 116 aufgenommen, der es jenen Regionen, die ein ausgeglichenes Budget vorweisen können, ermöglichen, in Rom um weitere Kompetenzen zu bitten. Etwa im Finanzbereich: Vor allem die Verteilung der Steuergelder ist den zwei Regionen ein Dorn im Auge, schließlich werden hier etwa 30 Prozent des BIP ganz Italiens erwirtschaftet. 20 Milliarden Euro an Steuern wandern jedes Jahr allein aus dem Veneto nach Rom. Nur ein Bruchteil kommt für Investitionen zurück. „Roma ladrona“, lautet in Norditalien schon lange der Schlachtruf: „Rom, die Diebin.“


Die Folgen der Referenden:
Die Referenden haben keine rechtliche Bindung. Forderungen nach mehr Autonomie hätten die Regionen auch so in der Hauptstadt stellen können. „Es ändert sich gar nichts“, sagte der Staatssekretär für die Regionen, Gianclaudio Bressa.


Wozu dann überhaupt?
Unterstützer der Referenden argumentieren, dass explizite Aufträge des Volkes den Auftritt der Regionalregierungen in Rom stärke. Kritiker meinen, dass die rechte Partei Lega Nord, die beide Regionen regiert, nur Werbung für sich machen wolle: Im Frühjahr stehen nationale Wahlen an. Die Lega Nord sah sich am Montag als großer Triumphator. Allerdings werden die Forderungen, die etwa Venetien stellt (so sollen 90 Prozent der Steuern in der Region bleiben), in Rom nicht durchzusetzen sein.

Welche politischen Folgen habendie Abstimmungen?
Vor allem der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia, geht als Sieger daraus hervor, da er 60 Prozent der Wähler mobilisieren konnte. Damit dürfte sein Ansehen innerhalb der Lega Nord steigen und Zaia ein aussichtsreicher Kandidat für einen höheren Spitzenposten werden, sollte die Lega in einem Bündnis mit Silvio Berlusconis Forza Italia die Wahl 2018 gewinnen. Die aktuellen Umfragen sprechen zumindest dafür.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2017)

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