Türkei entlässt Menschenrechtler Steudtner

Peter Steudtner
Peter Steudtner APA/AFP/YASIN AKGUL
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Überraschung in Istanbul: Peter Steudtner saß fast vier Monate in türkischer Haft - nun darf er das Gefängnis ohne Auflagen verlassen. Noch heute wird er in Berlin erwartet.

Fast vier Monate lang saß der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner in der Türkei fest. Ihm, seinen schwedischen Kollegen Ali Gharavi und neun weiteren Angeklagten wird "Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation" sowie "Unterstützung von bewaffneten Terrororganisationen" vorgeworfen, worauf bis zu 15 Jahren Haft stehen. Am Mittwoch, dem ersten Verhandlungstag, hatte Steudtner in einer 40-minütigen Verteidigungsrede "in allen Anklagepunkten auf nicht schuldig" plädiert und "um sofortige und bedingungslose Freilassung", gebeten. "Ich habe nie in meinem Leben irgendeine militante oder terroristische Organisation unterstützt."

Das Istanbuler Gericht verfügte daraufhin überraschend auf Antrag der Staatsanwaltschaft seine Haftentlassung auf Kaution. Mit Steudtner wurden sieben weitere Angeklagte vorläufig aus der Haft entlassen, darunter die Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty International, Idil Eser und Gharavi. "Der Ausreise steht nichts mehr im Wege", sagte der Anwalt von Steudtner, Murat Boduroglu, nach der Gerichtsentscheidung am späten Mittwochabend in Istanbul.

Steudtner: "Nie auf türkische Organisationen konzentriert"

Zuvor hatte Steudtner vor Gericht betont, seine Arbeit als Menschenrechtstrainer sei in den vergangenen 20 Jahren stets auf Menschenrechte, Gewaltfreiheit und Friedensbildung ausgerichtet gewesen - mit Fokus auf afrikanischen Ländern. "Ich habe mich nie auf türkische Organisationen konzentriert oder mit ihnen gearbeitet", sagte er. Steudtner bedankte sich zudem beim Gericht, dass er die Möglichkeit dazu habe, sich zu verteidigen. Er betonte seine Bereitschaft zur Mitarbeit bei dem juristischen Verfahren, wie er es bisher getan habe.

Gharavi wies ebenfalls alle Terrorvorwürfe von sich und sagte: "Ich weiß nicht, wer all diese Terrororganisationen sind. Ich erwarte meine sofortige und bedingungslose Freilassung aus dieser Foltersituation."

Nach seiner Freilassung wird Steudtner schon am heutigen Donnerstag wieder in Deutschland erwartet. Laut seinem Anwalt sollten Steudtner und Gharavi mit "dem nächstmöglichen Flug" ausreisen.

Gabriel ortet "ermutigendes Signal"

Die deutsche Bundesregierung begrüßte die Entlassung Steudtners, nach dessen international höchst umstrittener Festnahme sie im Juli ihre Türkei-Politik neu ausgerichtet hatte. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einem "ermutigenden Signal", zugleich jedoch von einem "ersten Schritt". Regierungssprecher Steffen Seibert schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: "Endlich! Peter Steudtner und weitere Menschenrechtler kommen frei. Wir freuen uns mit ihnen + denken an die, die immer noch in Haft sind." Die Bundesregierung ist seit Dienstag geschäftsführend im Amt.

Amnesty International forderte die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf Ankara dennoch aufrechtzuerhalten. Es bleibe nach den "schwierigen Instrumentalisierungen der türkischen Justiz (...) noch viel zu tun, um irgendwie von Normalisierung von Beziehungen zu sprechen", sagte der Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, Markus Beeko.

Auf einen Blick

Peter Steudtner und Ali Gharavi sowie weitere türkische Menschenrechtler waren am 5. Juli bei einem Workshop auf einer Insel bei Istanbul unter Terrorverdacht festgenommen worden. Die beiden Ausländer waren als Referenten zu dem Seminar eingeladen gewesen, bei dem es laut Amnesty International um digitale Sicherheit und die Bewältigung von Stresssituationen ging. Am 18. Juli verhängte ein Gericht in Istanbul Untersuchungshaft gegen Steudtner und Gharavi und mehrere andere Beschuldigte.

Das Verfahren, das am Mittwoch begonnen hatte, geht im November weiter - für Steudtner und Gharavi dürfte das aber keine Auswirkungen mehr haben.

(APA/dpa/Red.)

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