Kennedy-Mord: Neue Dokumente, aber kaum neue Antworten

Donald Trump auf den Spuren JFKs am Flughafen Love Field in Dallas.
Donald Trump auf den Spuren JFKs am Flughafen Love Field in Dallas.APA/AFP/JIM WATSON
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Bisher unter Verschluss gehaltene Akten zum Mord an John F. Kennedy bringen kaum neue Erkenntnisse. Das Rätselraten geht indessen weiter.

Washington. Wer war der Mann in der Bar in New Orleans, der im November 1963 hundert Dollar auf die baldige Ermordung von Präsident John F. Kennedy wetten wollte? Was wusste der geheimnisvolle Anrufer, der sich 25 Minuten vor den tödlichen Schüssen auf den Präsidenten in Dallas bei einer britischen Provinzzeitung meldete und eine „große Nachricht“ in den USA ankündigte? Warum traf sich Kennedy-Mörder Lee Harvey Oswald zwei Monate vor dem Mord am Präsidenten in Mexiko mit einem sowjetischen Experten für Attentate?

Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Kennedys Tod am 22. November 2061 sorgt der Mord für neue Fragen und neue Verschwörungstheorien. Einem Gesetz aus dem Jahr 1992 folgend hat Präsident Donald Trump fast 3000 bisher geheimgehaltene Dokumente über den Kennedy-Mord auf der Internetseite des Nationalarchivs (www.archives.gov) veröffentlichen lassen. „So interessant“ seien die neuen Schriftstücke, hatte Trump auf Twitter angekündigt. Das Gesetz war eine Reaktion auf den Film „JFK“ des Regisseurs Oliver Stone, der neue Spekulationen über den Kennedy-Mord ausgelöst hatte.

„Goldstücke“ in der „Schatzkiste“

Obwohl mehr als 90 Prozent aller Regierungsunterlagen zu dem Fall inzwischen freigegeben wurden, seien unter den neuen Akten einige „historische Goldstücke“, befand die „Washington Post“ in einer ersten Analyse. Die „New York Times“ verglich die Masse der Dokumente mit dem Fund verstaubter Schriftstücke in einer „Schatzkiste“ auf einem Dachboden. Es gibt Langweiliges, aber auch Interessantes. Die Kennedy-Dokumente waren Tagesgespräch in den USA.

Zur Aufregung tragen selbst jene Unterlagen bei, die nach wie vor zurückgehalten werden. Er beuge sich den Warnungen seiner Berater, die bei einigen Akten eine Gefährdung der nationalen Sicherheit sähen, schrieb Trump. Die Dokumente sollen in den kommenden sechs Monaten neu überprüft werden. Bei den Bedenken geht es darum, dass die betroffenen Akten, von denen einige erst 20 Jahre alt sind, Rückschlüsse auf Geheimdienstmitarbeiter zulassen könnten.

Verschwörungstheoretiker wie Robert Stone wittern jedoch ein neues Komplott. Stone ist ein Freund von Trump und vertritt in einem Buch die These, Kennedy sei auf Geheiß seines Vizepräsidenten und Nachfolgers, Lyndon B. Johnson, ermordet worden. Die Geheimdienste wollten weiter so viele Dokumente unter Verschluss halten wie möglich, sagte Stone der „Washington Post“. Laut der regierungsamtlichen Version der Ereignisse war Oswald, ein 24-jähriger ehemaliger Scharfschütze der Marineinfanterie, ein Einzeltäter ohne Organisation im Rücken. Oswald selbst bestritt in ersten Verhören eine Verwicklung in den Mord, konnte aber weiter nichts zur Aufklärung beitragen, weil er zwei Tage nach dem Mord an Kennedy von dem Nachtklubbesitzer Jack Ruby erschossen wurde. In etlichen Theorien taucht auch Ruby als Teilnehmer eines Komplotts auf.

Unbeantwortete Fragen und Zweifel gab es gleich nach dem Mord genug. Neben Vizepräsident Johnson werden in diversen Versionen eines angeblichen Komplotts auch das kommunistische Kuba, anti-kommunistische kubanische Exilanten, die vietnamesische Regierung, die Mafia und die amerikanischen Geheimdienste als Drahtzieher genannt. In den neu veröffentlichten Akten finden sich Hinweise darauf, dass auch die Sowjetunion befürchtete, mit dem Mord an Kennedy in Verbindung gebracht zu werden und als Vergeltung Ziel eines US-Raketenangriffs. Die Frage nach einer Verwicklung der Sowjets dürfte nun zu den Aspekten gehören, die neu aufs Tapet kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2017)

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