„Klimakanzlerin“ Merkel auf Abwegen

Merkel zu Pariser Zielen: „Braunkohle muss wesentlichen Beitrag leisten.“
Merkel zu Pariser Zielen: „Braunkohle muss wesentlichen Beitrag leisten.“ (c) REUTERS (WOLFGANG RATTAY)
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Bei den „Jamaika“-Verhandlungen bremste Angela Merkels Union beim Klimaschutz. Auf dem Weltklimagipfel in Bonn beschwört sie indes die Pariser Ziele. Ein Spagat.

Berlin/Bonn. Es war eine heikle Reise: Am Mittwoch ist Angela Merkel von der neuen in die alte Hauptstadt geflogen, von Berlin nach Bonn. Da wie dort geht es in diesen Tagen um den Klimaschutz. In den Berliner Sondierungen einer „Jamaika“-Koalition CDU/CSU-FDP-Grünen wird über den Ausstieg aus der Braunkohleförderung gestritten. Hier bremst Merkels Union. In Bonn dagegen fällt Merkel eine andere Rolle zu: auf dem Klimagipfel COP23, mit 25.000 Teilnehmern die größte zwischenstaatliche Konferenz, die je auf deutschem Boden stattgefunden hat. Dort gilt sie vielen noch immer als „Klimakanzlerin“.

Merkels Kohleproblem

Zwölf Minuten redet Merkel auf der Bühne im Bonner Regierungsviertel, wo sie von 1994 und 1998 als Umweltministerin wirkte. Den Klimawandel nennt sie eine „Schicksalsfrage“. Konkrete Festlegungen vermeidet Merkel zwar - jedes Wort kann später in den „Jamaika“-Sondierungen gegen sie verwendet werden. Aber sie räumt ein, dass „die Braunkohle einen wesentlichen Beitrag“ bei der Bekämpfung des Klimawandels leisten müsse. Deutschland ist der weltweit größte Förderer des klimaschädlichen Rohstoffs. Zugleich gehe es aber um die Bezahlbarkeit der Energie – und um Arbeitsplätze, sagt Merkel. 20.000 Jobs hängen in der Bundesrepublik an der Braunkohle. Zugleich hat sich Deutschland ganz freiwillig ehrgeizigen nationalen Klimaschutzzielen verschrieben: Bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent gedrückt werden. Ohne Sofortmaßnahmen würde man eher bei 32 Prozent landen. Umstritten ist, wie viel Tonnen CO2 für die Erreichung des Ziels eingespart werden müssen. Und, ob zehn Kohlemeiler (FDP und Union) oder doch 20 (Grüne) abgeschaltet werden sollen - und in welchem Tempo.

Einen Ausweg aus dem Dilemma weist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: Er verlangt erneut, den Mindestpreis für ein Zertifikat, das zum Ausstoß einer Tonne CO2 berechtigt, auf 30 Euro zu erhöhen. Merkel sagt dazu nichts. Eine Verteuerung würde Kohlekraftwerke unrentabel machen, die Braunkohle von selbst verschwinden – und durch das gemeinsame Vorgehen würde die deutsch-französische Achse gestärkt.

Mit US-Präsident Donald Trump ist nicht zu rechnen. Trump hatte lediglich eine Referatsleiterin – Assistant Secretary Judith Garber – nach Bonn entsandt (Österreich vertritt Umweltminister Andrä Rupprechter). Ein Bündnis aus US-Gouverneuren, Bürgermeistern und Unternehmern hintertreibt aber die Ziele des Präsidenten: „We are still in“ lautet ihre Parole in Bonn. Eine Anspielung darauf, dass Trump zwar den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt hat, aber dieser rechtlich erst im November 2020 in Kraft treten kann.

Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wandte sich implizit an die USA. Die internationale Politik „ist ein schwerfälliger Tanker, vor allem, wenn er einmal in Fahrt gekommen ist“, sagte er. „Und vielleicht möchte so mancher, der sich heute noch von der Kommandobrücke ins Beiboot verabschiedet, in ein paar Jahren doch wieder an unser großes Schiff andocken.“

Arbeit am „Regelbuch“

23 Monate ist es jetzt her, dass sich die Weltgemeinschaft in Paris dem Ziel verpflichtet hat, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius einzudämmen. Auf der „Arbeitskonferenz“ in Bonn, die unter der Präsidentschaft der Fidschi-Inseln stattfindet, wird nun an einem sogenannten „Regelbuch“ gefeilt. Es geht um Geld - 100 Mrd. Euro bis 2020 - und um technische Fragen, darunter, wie sich die Treibhausgasausstoße der einzelnen Länder vergleichbar machen lassen.

Konkrete Beschlüsse zur Umsetzung der Pariser Ziele soll es dann Ende 2018 auf dem Gipfel in Polen geben. Die Zeit drängt: Der weltweite CO2-Ausstoß dürfte heuer nach drei Jahren der Stagnation wieder um zwei Prozent steigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2017)

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