Putin gibt in Syrien die Linie vor

Ziemlich beste Freunde: Der russische Präsident, Wladimir Putin, lud den syrischen Machthaber, Bashar al-Assad, am Montag zu Gesprächen in die südrussische Stadt Sotschi.
Ziemlich beste Freunde: Der russische Präsident, Wladimir Putin, lud den syrischen Machthaber, Bashar al-Assad, am Montag zu Gesprächen in die südrussische Stadt Sotschi. (c) APA/AFP/SPUTNIK/MIKHAIL KLIMENTY
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Der Kreml-Chef will die Nachkriegsordnung im Kriegsland prägen. Kurz vor Treffen mit den Regionalmächten Iran und Türkei empfing Putin Syriens Machthaber Assad zum zweiten Mal seit 2015.

Moskau/Sotschi. Es war eine Inszenierung von Triumph und Demut. Wladimir Putin führte den syrischen Machthaber, Bashar al-Assad, in einen Saal, in dem Verteidigungsminister Sergej Schoigu und die uniformierten Herren des Generalstabs der russischen Armee versammelt waren. „Lassen Sie mich Ihnen jene Menschen vorstellen, die die entscheidende Rolle bei der Rettung Syriens gespielt haben“, waren Putins Worte. Und Assad, der neben dem souveränen und stolzen Präsidenten wie ein leicht nervöser Schüler wirkte, drückte im Namen des syrischen Volkes den Militärs und Putin seine Dankbarkeit aus. Angesichts des „Sieges über die Terroristen“ sei es nun an der Zeit, über den politischen Ordnungsprozess in seinem Land zu sprechen.

Am Dienstag empfing Putin zum zweiten Mal in zwei Jahren Assad zu einem Überraschungstreffen. In seiner Residenz in Sotschi, wo der Winter mild ist und umstrittene Gäste wenig Aufsehen machen.

Wieder einmal verblüfft Moskau die Staatengemeinschaft mit seinen Aktivitäten in Syrien. Schickte man vor mehr als zwei Jahren Kampfbomber in das Bürgerkriegsland, so startet der Kreml nun eine neue diplomatische Initiative. Nach der weitgehenden Zerschlagung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und anderer Anti-Assad-Kräfte sollen die Grundpfeiler einer Nachkriegsordnung errichtet werden. Das Treffen in Sotschi diente dazu, Assads Kooperationsbereitschaft bei den nächsten Schritten sicherzustellen. Denn bereits am heutigen Mittwoch empfängt Putin den türkischen Staatschef, Recep Tayyip Erdoğan, der bereits in der Vorwoche in Sotschi war, und Irans Präsidenten, Hassan Rohani. Zuvor informierte er US-Präsident Donald Trump von der Unterredung mit Assad und telefonierte mit dem saudischen König, Salman bin Abdulaziz. Ebenfalls am Mittwoch findet in Riad ein Treffen syrischer Oppositionsgruppen statt, die nach dem Rücktritt des Vorsitzenden und früheren syrischen Premierministers Riad Hijab eine Assad-kritische Stimme verloren haben. Ein neuerlicher Anlauf für Syrien-Gespräche unter UN-Vermittlung in Genf scheint zum ersten Mal seit Monaten möglich.

Russland als wichtigster Vermittler

Etwas mehr als zwei Jahre nach Assads erstem Besuch in Russland präsentiert sich der Kreml weiterhin als enger Verbündeter des syrischen Regimes. Schon im Oktober 2015 – kurz nach Beginn der russischen Intervention – empfing Putin den syrischen Präsidenten betont freundlich im Kreml. Assad war damals ein in die Enge getriebener Machthaber, der nur noch Bruchstücke seines Landes kontrollierte. Seine Lage heute könnte unterschiedlicher nicht sein.

Dank der russischen und der iranischen Militärhilfe konnte er seine Macht stabilisieren und darf hoffen, weiterhin eine Rolle im künftigen Syrien spielen zu können. Putin lässt sich diesbezüglich nicht in die Karten schauen. Fest steht: Die russischen Luftangriffe haben den Verlauf des Krieges geändert. Der Kreml hat die Rolle des internationalen Vermittlers an sich gerissen und die USA an den Rand gedrängt. Bei der Umsetzung der Nachkriegsordnung werden seine Prinzipien eine Rolle spielen: die Beachtung der russischen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen, das größtmögliche Festhalten am politischen Status quo, die flächendeckende Marginalisierung der unterschiedlichen Gegner Assads, die Minimierung des US-Einflusses. Da passte es ins Bild, dass Assad am Montag Putin bat, weiterhin keine „äußeren Spieler“ zuzulassen.

In Russland selbst wird der Einsatz dank der unkritischen Berichterstattung der staatlichen TV-Kanäle, deren Vertreter in der russischen Truppe „embedded“ waren, als sauberer und beinahe verlustfreier Krieg gegen den Terror verkauft. Die Nachrichtenagentur Reuters zählte dieses Jahr mehr als 40 Opfer aus russischen Armeekreisen, laut offiziellen Angaben waren es neun.

Putin sagte am Montag, der Einsatz in Syrien werde bald beendet. Syrische Truppen sprachen bereits zu Novemberbeginn von einem Sieg über den IS. Doch im Land wird weiterhin in mehreren Regionen (etwa an der Grenze zum Irak sowie in der nordwestlichen Provinz Hama) gekämpft. Ganz zu schweigen von einer nachhaltigen Stabilisierung, einem ernsthaften Dialog der verfeindeten Gruppen und dem Aufbau einer legitimen Staatsführung: All das sind Mammutaufgaben.

Auf einen Blick

Russland startet einen neuen diplomatischen Anlauf zur Beendigung des Krieges in Syrien. Auf einen Überraschungsbesuch von Bashar al-Assad in Sotschi folgt am heutigen Mittwoch ein trilaterales Treffen Putins mit den Regionalmächten Türkei und Iran. Erklärtes Ziel: die Wiederaufnahme der Syrien-Gespräche unter UN-Vorsitz in Genf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2017)

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