Katalonien: Madrid bremst Jagd auf Puigdemont

Im Vorfeld der Regionalwahl in Katalonien am 21. Dezember kann der nach Belgien geflohene Separistenführer Carles Puigdemont nur virtuell mitmischen.
Im Vorfeld der Regionalwahl in Katalonien am 21. Dezember kann der nach Belgien geflohene Separistenführer Carles Puigdemont nur virtuell mitmischen.(c) APA/AFP/LLUIS GENE
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Spanien zog das EU-weite Auslieferungsgesuch gegen den nach Brüssel geflohenen Separatistenchef Puigdemont und vier Mitstreiter zurück. In Spanien droht ihm aber Verhaftung.

Madrid. Überraschende Wende im Fall des nach Belgien geflohenen katalonischen Separatistenchefs Carles Puigdemont: Spaniens Oberster Gerichtshof hob den gegen ihn und vier seiner Ex-Minister erlassenen Europäischen Haftbefehl samt Auslieferungsgesuch auf. Damit endet das bereits angelaufene Auslieferungsverfahren in Belgien, dessen Ausgang wegen der weitreichenden Rechtsgarantien dort ungewiss war.

Der frühere Ministerpräsident Kataloniens und seine Mitstreiter, die sich im Oktober mit ihrer Flucht dem Zugriff der spanischen Justiz entzogen hatten, können Belgien nun wieder verlassen. Theoretisch wenigstens. Sollte aber Puigdemont (54) in seine Heimat zurückkehren, droht ihm weiter die Festnahme: Der nationale Haftbefehl bleibt bestehen.

Spaniens Oberster Gerichtshof ermittelt gegen Puigdemont und sein Ende Oktober abgesetztes Kabinett wegen Rebellion, Anzetteln eines Aufstands und Veruntreuung von Steuergeld. Sein früherer Vize, Oriol Junqueras, sowie Ex-Innenminister Joaquim Forn sitzen deswegen in Madrid in U-Haft. Den Separatisten wird vorgeworfen, die Abspaltung Kataloniens betrieben zu haben. Unter anderem wird ihnen angelastet, ein illegales Unabhängigkeitsreferendum organisiert und eine Unabhängigkeitserklärung publiziert zu haben. Damit sei gegen Spaniens Verfassung verstoßen worden, die eine Abtrennung nicht erlaubt. Auch hätten die Separatisten gerichtliche Verbote ignoriert sowie Kataloniens Bevölkerung zum Ungehorsam, und damit zu Straftaten, aufgerufen.

Rechts-taktische Gründe

Die Annullierung des EU-Haftbefehls habe vor allem taktische Gründe, wie Ermittlungsrichter Pablo Llarena in seinem Beschluss erläutert. Angesichts der Besonderheiten des belgischen Rechts habe die Gefahr bestanden, dass Belgien eine Auslieferung an Bedingungen knüpft. Etwa, indem die Auslieferung wegen der Vorwürfe der Rebellion und des Aufstands, die in Belgiens Strafrecht so nicht existieren, abgelehnt worden und nur eine Auslieferung wegen Veruntreuung akzeptiert worden wäre. Dann hätte Puigdemont nur wegen dieses Delikts in Spanien angeklagt werden können.

Noch am Montag hatte ein belgisches Gericht Puigdemont und seine Ex-Minister angehört. Die fünf hatten eine Auslieferung abgelehnt. Sie behaupteten, dass sie in Spanien wegen ihrer politischen Ideen verfolgt würden und daher keinen fairen Prozess erwarten könnten. Am 14. Dezember wollte der Auslieferungsrichter entscheiden – was nun hinfällig ist.

Zentralisten legen vor Wahl zu

Puigdemont wird abwägen müssen, ob er das Risiko eingehen will, nach Katalonien zurückzukehren, oder ob er aus der Ferne in den katalanischen Wahlkampf eingreifen will, der am Dienstag anlief. Er ist Spitzenkandidat der Unabhängigkeitswahlliste „Junts per Catalunya“ (Zusammen für Katalonien), die indes nach bisherigen Umfragen bei der Wahl am 21. Dezember wenig Chancen hat.

Als stärkste Unabhängigkeitspartei sehen die Meinungsforscher die Liste „Esquerra Republicana“ (Republikanische Linke) des in U-Haft sitzenden Ex-Vize-Ministerpräsidenten Junqueras. Unklar ist generell, ob das Unabhängigkeitslager seine bisherige absolute Mehrheit im Parlament in Barcelona verteidigen kann. Die prospanischen Parteien holen offenbar auf, die Meinungsforscher sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem separatistischen und dem zentralistischen Blöcken voraus, die aus jeweils drei Parteien bestehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2017)

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