Union warnt deutsche Sozialdemokraten vor überzogenen Forderungen

(c) APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ (TOBIAS SCHWARZ)
  • Drucken

Am Mittwoch findet das erste Gespräch zwischen SPD und CDU statt. Doch schon jetzt wollen beide Parteien ihre Grenzen abstecken. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte gegenüber "Bild am Sonntag", dass man parallel zu den Gesprächen einen neuen Wahlkampf ausarbeiten werde.

Vor Gesprächen über eine Regierungsbildung in Deutschland warnt die Union die SPD vor überzogenen Forderungen. "Die SPD sollte nicht glauben, dass alles, was sie als besonders wichtig ansieht, von uns akzeptiert werden kann", sagte der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder machte am Sonntag deutlich, dass die Union nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen nicht billig für die SPD zu haben sein werde. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sprach sich im Falle des Scheiterns der Gespräche für eine Minderheitsregierung aus: "Wenn es mit der SPD gar nicht geht, machen wir es eben allein." SPD-Chef Martin Schulz bekräftigte, für die SPD gebe es keinen Automatismus für eine Koalition.

Erstes Treffen am Mittwoch

SPD und Union wollen sich am Mittwoch treffen, um die Möglichkeiten einer Regierungsbildung auszuloten. Der SPD-Parteitag hatte Schulz Grünes Licht für ergebnisoffene Gespräche gegeben. Aus der SPD waren Stimmen zu hören, für die Union werde eine Neuauflage des schwarz-roten Bündnisses teuer werden.

Kauder entgegnete im "Tagesspiegel" vom Sonntag, die Lage sei nicht anders als vor vier Jahren, als CDU und CSU nach der Absage der Grünen ebenfalls nur mit den Sozialdemokraten hätten verhandeln können. "Wie damals werden wir jetzt vernünftig mit der SPD sprechen", fügte der CDU-Politiker hinzu. Dies bedeute kompromissfähig zu sein. Zu den "absoluten Kernforderungen" der Union gehöre die Umsetzung des CDU/CSU-Kompromisses zur Migration, einschließlich der weiteren Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär geschützte Flüchtlinge über März hinaus. Auch eine Deckelung des Flüchtlingszuzugs sei nötig.

Die von der SPD geforderte Bürgerversicherung im Gesundheitswesen lehnten Kauder, Spahn sowie der designierte bayrische Ministerpräsident Markus Söder klar ab. Auch CSU-Chef Horst Seehofer erklärte, eine Bürgerversicherung werde es mit seiner Partei nicht geben. "Ich sehe nicht, wie man sie so umsetzen kann, dass sie nicht für große Ungerechtigkeiten sorgt", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Auch der Schulz-Vorstoß, die EU bis 2025 in "Vereinigte Staaten von Europa" umzuwandeln, stieß bei den Unionsparteien am Wochenende auf massiven Widerstand.

SPD bereitet parallel Bundestagswahlkampf vor

Schulz bekräftigte zum Abschluss des SPD-Parteitages am Samstag, Maßstab für die SPD in den bevorstehenden Gesprächen mit der Union seien die Inhalte, die sie durchsetzen könne. Wenn die SPD die Chance habe, Altersarmut zu verhindern, die Pflege zu verbessern und für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, müsse sie diese Chance ergreifen. Eine Mehrheit von 61 Prozent der Deutschen erwartet einer Umfrage für die "Bild am Sonntag" zufolge allerdings, dass eine Wiederauflage der Großen Koalition die SPD schwächen würde.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kündigte in der "Bild am Sonntag" an, er beginne parallel zu den Gesprächen mit der Union sofort damit, einen möglichen Bundestagswahlkampf vorzubereiten, falls es zu Neuwahlen komme. Zugleich beklagte er "dezidierte Vertrauensbrüche" der Union in der Großen Koalition der vergangenen vier Jahre. Konkret nannte er das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit und die Solidarrente. Beides sei eigentlich verabredet gewesen. "Eine vertrauensbildende Maßnahme wäre zum Beispiel, dass CDU/CSU in den nächsten Wochen im Bundestag ein Gesetz zum Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit mit uns beschließen", sagte Klingbeil.

Auch Spahn erhöhte den Druck und unterstrich in der "Bild am Sonntag", Kanzlerin Angela Merkel könne mit aller ihrer Erfahrung auch eine Minderheitsregierung erfolgreich führen. Wenn eine neue Große Koalition die falschen Schwerpunkte setze, hätten Union und SPD womöglich in vier Jahren zusammen nicht einmal mehr eine Mehrheit, warnte der CDU-Politiker.

"Kein Sinn, in irgendeine Richtung zu gehen"

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel machte aber im Deutschlandfunk deutlich: "Für Sozialdemokraten gibt es keinen Sinn, in irgendeine Richtung zu gehen, bei der nichts rauskommt oder wo wir einfach verabreden, wir kriegen ein paar Ministerjobs und ansonsten interessiert uns das nicht." Zudem wies er einen Bericht über sein angebliches Interesse am Finanzministerium als Unsinn zurück.

Innenminister de Maiziere warb unterdessen für eine fraktionsübergreifende Verständigung zum Familiennachzug für Flüchtlinge, wenn bis März noch keine Regierung steht.

(APA/Reuters/DPA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Martin Schulz.
Europa

Die EU-Visionen des Martin Schulz

Eine schwarz-rote Regierung würde die EU ins Zentrum rücken. Der SPD-Vorstoß für Vereinigte Staaten von Europa geht CDU/CSU jedoch zu weit. Viel zu weit.
SPD-Chef Martin Schulz warb beim Parteitag erfolgreich für Gespräche mit der Union: „Wir müssen nicht um jeden Preis regieren, aber wir dürfen auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen.“
Außenpolitik

Martin Schulz: Er will nur reden

Die SPD-Basis wählte ihren Parteichef wieder und gab grünes Licht für ergebnisoffene Gespräche mit der Union. Ein Etappensieg auf dem Weg zur GroKo, aber nicht mehr.
Außenpolitik

SPD legt Latte für Große Koalition hoch

Der auf dem Parteitag erneut zum SPD-Chef bestätigte Martin Schulz erhält grünes Licht für Gespräche mit der Union über die Bildung einer Bundesregierung. Am Mittwoch trifft er sich mit Kanzerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer.
Cem Özdemir
Außenpolitik

Vereinigte Staaten von Europa: "Das ist Tagträumerei"

Grünen-Chef Cem Özdemir hält die Pläne von SPD-Chef Schulz für nicht umsetzbar. Das sagt er im Interview der "Presse": Seine Skepsis hat auch mit Österreich zu tun.
Auf Macron Reformpläne müsse eine neue Regierung aber antworten - und zwar "spätestens bis Ostern".
Außenpolitik

Schulz will bis 2025 "Vereinigte Staaten von Europa"

Der SPD-Chef gibt sich auf dem Parteitag kämpferisch: Er wirbt für ein starkes Europa. Zugleich muss er die skeptische Parteibasis von einer Regierungsbildung mit der Union überzeugen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.