Tschechien hat eine Regierung, aber ohne stabile Mehrheit

Der populistische Premier Babis hat am Mittwoch sein Minderheitskabinett vorgestellt. Gleichzeitig kündigte er an, sofort mit der Arbeit beginnen zu wollen. Die Mehrheit des Parlaments steht ihm aber äußerst skeptisch gegenüber.

Knapp zwei Monate nach seinem Wahlsieg hat Tschechiens liberal-populistischer Ministerpräsident Andrej Babis seine neue Regierung vorgestellt. Präsident Milos Zeman vereidigte die 14 Minister des Minderheitskabinetts am Mittwoch in seinem Amtssitz, der Prager Burg. Der Regierung gehören nur ANO-Politiker und parteilose Experten an.

Offen bleibt, wie Babis das Vertrauen des Parlaments gewinnen will. Allein kommt die Protestbewegung ANO des Multimilliardärs und Medienbesitzers nur auf 78 der 200 Abgeordnetensitze. "Wir werden auf keine Duldung oder Unterstützung warten, sondern arbeiten - und wir beginnen mit der Arbeit sofort heute", sagte Babis.

Vor dem am Donnerstag in Brüssel beginnenden EU-Gipfel kündigte der neue Regierungschef ein "aktiveres" Auftreten seines Landes an. "Wir müssen für die Sicherheit unserer Leute, für die Sicherheit Europas und - mit allen Mitteln - gegen die illegale Migration kämpfen", sagte der 63-Jährige. Wegen Nichterfüllung der Flüchtlingsquoten klagt die EU-Kommission gegen Tschechien, Ungarn und Polen.

Striktes Nein zu Flüchtlingsquoten

Unmittelbar vor der Angelobung der Regierung bekräftigte Babis sein striktes Nein zu den EU-Flüchtlingsquoten. "Der Vorschlag des Europaparlaments ist unannehmbar und wir sind damit nicht einverstanden. Wir beharren darauf, dass es keine Quoten gibt, und werden alles dafür tun", betonte Babis im europäischen Ausschuss des Abgeordnetenhauses.

Babis hat 30 Tage Zeit, um im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen. Als Termin dafür kündigte er nun den 10. Jänner an - zwei Tage vor der ersten Runde der tschechischen Präsidentenwahl. Bei der Wahl der Ausschüsse hatten sich die ANO-Partei, die orthodoxen Kommunisten und die rechtsradikale SPD des Unternehmers Tomio Okamura gegenseitig unterstützt. Ob diese Formation weiter Bestand haben wird, ist bei Politologen umstritten.

"Es nicht wahr, dass dies eine Regierung für einen Winter ist", sagte Präsident Zeman. Er werde Babis, falls nötig, eine zweite Chance zur Regierungsbildung geben. Die etablierten Parteien zögern, weil Babis wegen mutmaßlichen Subventionsbetrugs Ermittlungen drohen. Allerdings weicht der Widerstand langsam auf.

Stropnicky neuer Außenminister

Zum neuen Außenminister wurde am Mittwoch der frühere Verteidigungsminister und Schauspieler Martin Stropnicky ernannt. Das Verteidigungsressort wird die bisherige Ministerin für regionale Entwicklung, Karla Slechtova, führen. Im Amt des Justizministers bleibt Robert Pelikan und das Finanzministerium wird die bisherige Stellvertreterin des Ressortleiters und enge Mitarbeiterin von Babis, Alena Schillerova, führen. In der bisherigen Koalitionsregierung war Babis Finanzminister gewesen.

Babis ist Gründer eines Firmenimperiums mit mehr als 250 Unternehmen aus der Nahrungsmittel- und Chemieindustrie sowie der Land- und Forstwirtschaft. Die Aktivitäten sind in der Agrofert-Holding zusammengefasst und werden treuhänderisch verwaltet. "Es ist eine Regierung von Agrofert", kritisierte Daniel Kaiser vom Nachrichtenportal Echo24. Die neuen Minister seien Babis gegenüber loyal. "Es sind seine Leute."

(APA/dpa)

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