Beschwichtigende Töne bei Kneissls Rom-Besuch

„Wir sind zwei Länder, die miteinander reden“: Österreichs Außenministerin Karin Kneissl traf ihren italienischen Kollegen Angelino Alfano in Rom.
„Wir sind zwei Länder, die miteinander reden“: Österreichs Außenministerin Karin Kneissl traf ihren italienischen Kollegen Angelino Alfano in Rom.(c) APA/AFP/TIZIANA FABI
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Außenministerin Kneissl traf in Rom ihren Amtskollegen Alfano: Bei den kritischen Themen Südtirol und Migration zeigte man sich betont gesprächsbereit.

Rom. Als heikel wurde dieser Antrittsbesuch der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl in Rom im Vorfeld betitelt. Immerhin standen zwei Themen auf der politischen Tagesordnung, die in letzter Zeit zu Spannungen zwischen Österreich und seinem südlichen Nachbarn geführt hatten: der Vorstoß der neuen österreichischen Regierung, für die deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler die doppelte Staatsbürgerschaft einzuführen und die unterschiedliche Politik beider Länder in der Flüchtlingsfrage.

Beim Treffen von Außenministerin Kneissl und ihrem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano handelte es sich also nicht mehr nur um einen diplomatischen Höflichkeitsbesuch beim Nachbarn. Auch aus italienischer Sicht. Denn hier ist der Wahlkampf in vollem Gange. Die Italiener sind am 4. März aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Der amtierende Außenminister Alfano wird nicht mehr kandidieren, wie er bereits bekannt gab. Am Dienstag lobte Alfano jedenfalls das „sehr positive und offene Gespräch“ mit Kneissl.

Arbeitsgruppe: Staatsbürgerschaft

In Italien steht derzeit das Thema Migration ganz oben auf der Liste der Wahlkampfthemen. 2017 kamen 119.369 Menschen über das Mittelmeer nach Italien. 2016 waren es noch 181.436 gewesen. Die Reduzierung der Ankünfte hat wohl hauptsächlich mit der engeren Zusammenarbeit Roms und der Europäischen Union mit mehreren afrikanischen Staaten zu tun, darunter auch das Bürgerkriegsland Libyen, von wo aus die meisten Menschen die gefährliche Überfahrt in Richtung Europa wagen.

In den ersten 16 Tagen des neuen Jahres kamen 974 Migranten in Italien an. Bei den Verantwortlichen ist jedoch die Angst groß, dass sich dieser Trend wieder umkehren kann. Italien dringt daher noch immer auf eine gesamteuropäische Lösung des Flüchtlingsproblems. „Wir zollen Respekt dafür, was die italienische Regierung auf dem afrikanischen Kontinent leistet“, sagte Kneissl am Dienstag in Rom. Dabei dürfte den Italienern durchaus ein Dorn im Auge sein, dass Österreich seinen Verpflichtungen aus dem EU-Umverteilungsprogramm mehr schlecht als recht nachkommt.

In dem Abkommen, in dem sich die restlichen EU-Staaten 2015 verpflichtet hatten, Asylbewerber aus Italien und Griechenland aufzunehmen um diese beiden Staaten zu entlasten, hatte sich Österreich dazu verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren 1.953 Menschen bei sich aufzunehmen. Bisher wurden nur 17 Migranten aus Italien nach Österreich „verteilt“. Diese Zahlen hat die EU-Kommission am Dienstag der „Presse“ bestätigt. Damit ist Österreich zusammen mit Bulgarien und Estland Schlusslicht bei der Umverteilung. Deutschland hat mit 4.894 im Rahmen des Relocation-Programms am meisten Migranten aus Italien aufgenommen.
„Wir hoffen noch immer auf einen europäischen Lösungsansatz“, sagte Alfano am Dienstag diplomatisch nach dem Treffen mit seiner österreichischen Amtskollegin.

Weniger emotional ist in Italien hingegen das Vorhaben der türkisblauen Bundesregierung, den deutsch- und ladinischsprachigen Südtirolern eine doppelte Staatsbürgerschaft anzubieten, aufgenommen worden. Das Thema habe Kneissl aktiv eingebracht, sagte sie – und sie habe für die Doppelstaatsbürgerschaft-Pläne keine Kritik erhalten. Das Gespräch war laut Kneissl amikal. Österreich habe als Schutzmacht in Bezug auf die dynamische Fortentwicklung des Minderheitenschutzes die völkerrechtlich verankerte Verantwortung, sich einzubringen, sagt sie. Kneissl kündigte in Rom die Einrichtung einer Arbeitsgruppe an, die sich der Frage nach der Doppelstaatsbürgerschaft annehmen soll. Dieses Vorhaben sei Teil des Regierungsabkommens.

„Wir sind zwei Länder, die miteinander diskutieren, da gibt es keine unilateralen Aktionen“, so Alfano. Kneissl beschwichtigte am Dienstag aber, dass dieses Thema nur in einem Trilog, also in Gesprächen zwischen Wien, Rom und Bozen angegangen werden könne. Das Treffen mit ihrem italienischen Amtskollegen diene einem „Gedankenaustausch“ zu diesem Thema. Konkrete Aspekte wie der, wer rein rechtlich Anspruch auf eine solche doppelte Staatsbürgerschaft haben könnte, sollten von Expertengruppen erörtert werden. Das Kuriose an dem Thema: In der Sache ist man in Rom und Wien im Grunde einer Meinung. Allein das Zueigenmachen durch die Regierung in Österreich ist den Italienern ein Dorn im Auge.

Über eine doppelte Staatsbürgerschaft werde in Südtirol schon seit Jahren gesprochen, sagte der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher dazu der „Presse“. „Es gibt dazu auch einen Beschluss des Parteitages der Südtiroler Volkspartei in dem steht, dass so eine Möglichkeit im Sinne des europäischen Geistes wünschenswert wäre.“ Das Thema sei eine ideelle Geschichte und nie damit verbunden worden, das Autonomiestatut Südtirols in Frage zu stellen, oder gar Sezessions-Gedanken zu befeuern.

Rechtliche Hürden für Österreich

Das Problem: Der Vorstoß aus Österreich kommt nun von einer Regierung mit FPÖ-Beteiligung und bekäme dadurch eine andere politische Färbung, so Kompatscher. „Ich glaube das hat dazu geführt, dass es teilweise so heftige Reaktionen gab.“
Von italienischer Seite steht der Einführung einer doppelten Staatsbürgerschaft in Südtirol zumindest rechtlich nichts im Wege. Im Gegensatz zu Italien hat Österreich allerdings noch ein internationales Abkommen zur Vermeidung von Doppelstaatsbürgerschaften. Und dafür besteht ein Jahr Kündigungsfrist. Für ausführliche Verhandlungen zwischen den beiden Staaten ist also genug Zeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2018)

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