Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort

APA/AFP/FRED DUFOUR
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Der Bürgerrechtler Yu Wensheng beklagte in einem offenen Brief, dass China unter Xi Jinping totalitärer geworden sei. Peking ging in zwei Jahren bereits gegen mehr als 300 Aktivisten vor.

Nach Kritik an der chinesischen Führung ist der prominente chinesische Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng festgenommen worden. Der 50-Jährige sei am Freitag in der Früh in Peking von der Polizei mit einem speziellen Einsatzkommando vor seinem Haus abgefangen und mitgenommen worden, als er seinen Sohn zur Schule bringen wollte, berichtete seine Frau Xu Yan der Deutschen Presse-Agentur.

Der kritische Jurist ist das jüngste Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Anwälte, Mitarbeiter von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitglieder. Mehr als 300 wurden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seit Juli 2015 inhaftiert, verhört, unter Hausarrest gestellt oder an der Ausreise gehindert. Vier wurden verurteilt. 16 warten noch auf ihren Prozess.

Yu Wensheng hatte sich den Zorn der Behörden durch seine öffentliche Kritik zugezogen. "Ich glaube, es hat damit zu tun, dass er am 18. Jänner einen offenen Brief verbreitet hat, in dem er eine Reform der Verfassung forderte", sagte Xu Yan. Auch sein Appell an die Delegierten des 19. Parteikongresses der Kommunistischen Partei im Oktober dürfte die Obrigkeit verärgert haben.

Frau weiß nicht über Verbleib Bescheid

Darin hatte der Anwalt beklagt, dass sich "die Menschenrechtslage verschlechtert hat, die Rechtsstaatlichkeit zurückgedrängt wurde, sich Folter verbreitet und Fehlurteile stark zugenommen haben". Staats- und Parteichef Xi Jinping habe die totalitäre Herrschaft verstärkt. "Er eignet sich nicht länger, um im Amt zu bleiben."

Die Kommunistische Partei solle Reformen beschließen, um ein freies, demokratisches und rechtsstaatliches China zu schaffen und "die Macht wieder zurück in die Hände der Menschen zu geben", forderte der Anwalt ferner in dem offenen Brief. Vor wenigen Tagen war ihm schon die Anwaltslizenz entzogen worden. Auch war sein Antrag auf Gründung einer neuen Kanzlei abgewiesen worden.

Seine Frau weiß nichts über sein Schicksal. "Ich habe die örtliche Polizeistation und den Polizeinotruf angerufen, aber nichts erfahren, was mit ihm passiert ist", sagte Xu Yan. "Ich habe keine Ahnung, wo sie ihn hingebracht haben." Zwei Polizeiwagen, ein Wagen eines Einsatzkommandos und ein Minibus seien vorgefahren und hätten ihn auf der Straße vor dem Haus mitgenommen.

Menschenrechtslage in China verschlechtert sich

"Seine Festnahme zeigt, dass die chinesische Regierung immer weniger Toleranz gegenüber Kritik an Staatsführern zeigt", sagte Patrick Poon von Amnesty International in Hongkong. "Es wäre äußerst beunruhigend, wenn er wegen eines schweren Verbrechens wie etwa "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" angeklagt werden sollte."

Das Vorgehen gegen den Kritiker demonstriert neue Härte, fand Maya Wang von Human Rights Watch in Hongkong. "Die Festnahme spiegelt eine schärfere Verfolgung unter Xi Jinping wider", sagte Wang. "In der Vergangenheit wurden offene Briefe von Intellektuellen oder Anwälten, die Verfassungsreformen forderten, weitgehend toleriert, aber jetzt wird selbst so etwas von den Behörden als "heikel" betrachtet."

Erst am Vortag hatte Human Rights Watch in einem Jahresbericht eine Verschlechterung der Menschenrechtslage in China angeprangert. 2017 seien mehr Menschenrechtsverteidiger als zuvor in Schauprozessen abgeurteilt worden, hieß es. Kritisiert wurden auch vermehrte Zwangsgeständnisse im Fernsehen. "Die Polizei sicherte sich die Gefügigkeit der Festgenommenen, indem einige von ihnen gefoltert, ihnen der Zugang zu einem Anwalt ihrer Wahl verweigert und sie über Monate isoliert festgehalten wurden."

(APA/dpa)

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