Regimetruppen kommen den kurdischen Milizen im Kampf gegen die Türken zu Hilfe. Für den Einsatz wird Assad wohl einen hohen Preis fordern.
Tunis/Damaskus.Beide Seiten misstrauen einander und belauern sich. Dennoch gelang es Syriens Kurden während der sieben Jahre Bürgerkrieg, mit dem Assad-Regime ein fragiles Auskommen zu wahren und Damaskus eine gewisse Autonomie abzutrotzen. Und so sitzt in der Regionalhauptstadt Qamishli lediglich ein symbolischer Militärposten der fernen Machthaber – die einzige offizielle Präsenz der Regierungstruppen im syrischen Kurdistan, genannt Rojava. Von hier haben sich die syrischen Regierungstruppen 2012 freiwillig zurückgezogen.
Dieser Tage nun rüstet sich Assads Militär für ein Comeback, diesmal auf ausdrückliche Bitte der Kurden. Am Montag kündigten regimetreue Milizverbände an, ihr Einmarsch in die kurdische Enklave Afrin stehe unmittelbar bevor.
Seit die türkische Armee am 20. Januar die Region Afrin mit der Operation Olivenzweig unter seine Kontrolle zu bringen versucht, fürchten Syriens Kurden um ihre mühsam errungenen Freiheiten, während die Machthaber in Damaskus eine Annexion des Gebiets durch Ankara befürchten. „Unsere Truppen werden sich an dem Widerstand gegen die türkische Aggression beteiligen, um die territoriale Einheit und Integrität Syriens zu verteidigen“, hieß es am Montag in einer Erklärung des Assad-Regimes, die über die staatliche Nachrichtenagentur Sana verbreitet wurde. Ähnlich äußerte sich der Chef der kurdischen YPG-Milizen, Sipan Hamo. Man habe kein Problem mit einer Intervention von Damaskus, um Afrin zu verteidigen und den türkischen Angriff zurückzuschlagen, erklärte er.
Angriff auf Manbij möglich
Und so finden sich beide Lager plötzlich auf der gleichen Seite einer neuen Front wieder, der mittlerweile fünften auf syrischem Territorium. Türkei gegen Kurden, Israel gegen Iran, USA gegen Russland sowie Assad-Regime gegen Aufständische hießen bisher die Schlachtfelder, auf denen mehr als 350.000 Menschen starben. Obendrein droht nun auch eine direkte militärische Konfrontation zwischen Syrien und der Türkei – und damit ein weiteres düsteres Kapitel in der syrischen Apokalypse.
Das Regime wird für seinen Einsatz von den Kurden einen hohen Preis fordern, da ist sich Bassam Abou Abdallah, Direktor des Zentrums für Strategische Studien in Damaskus, sicher. Die Kurden müssten Verantwortung übernehmen für ihr bisheriges Handeln, argumentierte er. Der syrische Staat sei kein Diener, „den man immer dann rufen kann, wenn man ihn braucht“. Schließlich stehen die gleichen YPG-Verbände, denen das Assad-Regime mit seiner angekündigten Afrin-Offensive beispringen will, in Ostsyrien der syrischen Armee als Feinde gegenüber – einzig getrennt durch den Fluss des Euphrat. Anfang Februar starben nahe der Wüstenstadt Deir Ezzor mindestens 200 syrische Soldaten und russische Söldner durch US-Luftangriffe, nachdem diese kurdische Milizen unter Feuer genommen hatten.
Anders auf dem nördlichen Kriegsschauplatz Afrin – hier hielten sich die Vereinigten Staaten heraus und gaben der YPG keine Rückendeckung, aus Angst, direkt mit dem Nato-Partner Türkei aneinanderzugeraten. Auch Russland blieb weitgehend untätig, obwohl es seit Jahren gute Beziehungen zur YPG pflegt. Und so schlug die türkische Führung, die die YPG als Terrororganisation einstuft, am Montag harte Töne an. Wenn es Assad darum gehe, die YPG aus Afrin hinauszuwerfen, habe man kein Problem damit, sagte der türkische Außenminister, Mevlüt Cavuşoğlu. „Wenn sie aber vorrücken, um die YPG zu schützen, kann niemand uns und die türkischen Soldaten stoppen“, polterte er und drohte mit einer Ausweitung der Offensive in die Region von Manbij und auf das östliche Euphratufer.
Bomben auf Ost-Ghouta
Genauso stehen an der innersyrischen Front zwischen Regime und Aufständischen alle Zeichen auf Eskalation. In Ost-Ghouta, der einzigen verbliebenen Rebellenenklave im Großraum Damaskus, gingen die syrisch-russischen Bombenangriffe in den vergangenen Tagen mit voller Härte weiter, um das Wohngebiet sturmreif zu schießen. Alleine am Montag seien 80 Zivilisten getötet worden, berichten Aktivisten. 400.000 Aufständische sind hier seit vier Jahren von Regimetruppen eingeschlossen, um sie auszuhungern und zum Aufgeben zu zwingen. Mittlerweile zieht das Assad-Regime in der umkämpften Region immer mehr Truppen zusammen. Auch hier steht nach Ansicht von Aktivisten ein Einmarsch der Armee unmittelbar bevor.
Syrien
Bürgerkrieg. Die neue Allianz zwischen Kurden und Damaskus ist die mittlerweile fünfte Front in Syrien: Türkei gegen Kurden, Israel gegen Iran, USA gegen Russland sowie Damaskus gegen Aufständische. Bislang wurden im syrischen Krieg mehr als 350.000 Menschen getötet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2018)