Russland will an 30-tägiger Feuerpause in Syrien arbeiten

Mitarbeiter des Roten Halbmonds warten auf Einsatzmöglichkeiten im umkämpften Ost-Goutha bei Damaskus.
Mitarbeiter des Roten Halbmonds warten auf Einsatzmöglichkeiten im umkämpften Ost-Goutha bei Damaskus.APA/AFP/LOUAI BESHARA
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Putin spricht von einer Gruppe Menschen, die mit Hilfe der Türkei aus Ost-Ghouta gerettet werden konnte. Sein Außenminister macht die Rebellen für die brüchige Waffenruhe verantwortlich.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow macht Rebellen im syrischen Ost-Ghouta nahe der Hauptstadt Damaskus für die anhaltenden Kämpfe trotz Feuerpause verantwortlich. Russland arbeite aber weiter daran, die vom UNO-Sicherheitsrat geforderte 30-tägige Feuerpause für humanitäre Hilfe umzusetzen, sagte Lawrow am Mittwoch in Genf. Russland sei gelungen, eine "recht große Gruppe" Menschen aus Ost-Ghouta in Sicherheit zu bringen, sagte Präsident Wladimir Putin nach dem Treffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz am Mittwoch in Moskau.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe bei den Verhandlungen für die Evakuierungen mitgeholfen. Wann diese Rettungsaktion genau stattgefunden haben soll, sagte Putin nicht.

Während in Syrien noch daran gearbeitet werde, die Voraussetzungen für die Umsetzung der UNO-Sicherheitsratsresolution zu schaffen, gewähre Russland zusammen mit der syrischen Regierung schon einmal jeden Vormittag eine fünfstündige Feuerpause, damit den Menschen geholfen werden könne, erklärte der der russische Außenminister Lawrow.

Die temporäre Waffenruhe trat erstmals Dienstag früh in Kraft, wurde aber sowohl am ersten, als auch am zweiten Tag verletzt - von beiden Seiten. Am Mittwochvormittag hörten zwar die Luftangriffe in Ost-Ghouta auf, doch dauerten die Kämpfe am Boden weiter an, wie die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte.

Kritik an kurzer Feuerpause

UNO-Vertreter halten fünf Stunden Feuerpause für völlig unzureichend. In der Zeit könnten keine Hilfsgüter in die Gebiete gefahren, entladen und verteilt werden und Verletzte könnten so schnell nicht gefunden, stabilisiert und herausgebracht werden. So konnten bereits am Dienstag weder Zivilisten das umkämpfe Gebiet verlassen noch Hilfsgüter geliefert werden.

Lawrow machte dafür einmal mehr die Rebellen verantwortlich. "Dort verschanzte militante Kämpfer beschießen weiterhin Damaskus, sie blockieren Hilfskonvois und verhindern die Rettung der Menschen, die flüchten wollen", sagte er vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf. Der russische Minister verlangte humanitäre Einsätze auch in anderen Regionen Syriens, etwa in Al-Raqqa, der einstigen Hochburg der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Dort sei der Boden vermint, Leichen verwesten in den Straßen und es gebe weder Wasser noch Toiletten. Er verlangte eine UNO-Mission, um die Bedürfnisse der Menschen dort zu erkunden.

Russland unterstützt die syrische Armee, die das Gebiet Ost-Ghouta seit Wochen bombardiert und angreift. Moskau halte an der Unterstützung der syrischen Regierung fest, betonte Lawrow.

Lawrow wirft USA "absichtliche Zerstörung von Staaten" vor

Für die Destabilisierung in der gesamten Region machte Lawrow die USA und Verbündete verantwortlich, die die Machthaber im Irak und in Libyen, Saddam Hussein und Muammar al-Gaddafi, gestürzt hatten. "Niemals in der Geschichte hat die absichtliche Zerstörung von Staaten sich als Segen für die Menschen herausgestellt, immer hat es eine humanitäre Katastrophe gebracht", sagte Lawrow. Die Länder seien damit für die Migrationswelle und den Anstieg des Terrorismus verantwortlich.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will angesichts der dramatischen Lage in Syrien Russland zur Verantwortung ziehen. "Es ist eine furchtbare Situation, Russland hat eine Verantwortung mitzuwirken, dass das Blutvergießen dort beendet wird", betonte Kurz vor einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor Journalisten am Mittwoch in Moskau. "Wir haben seitens der Europäischen Union die klare Erwartungshaltung, dass Russland hier seiner Verantwortung nachkommt und einen Beitrag leistet, das Blutvergießen zu beenden. Das wird heute auch Thema sein und ich werde das nicht nur im österreichischen Namen, sondern auch im Namen vieler europäischer Partner einfordern", so der Kanzler.

Türkei will Waffen nicht ruhen lassen

Die Türkei fühlt sich indes nicht an die UNO-Resolution über eine Waffenruhe gebunden und will ihre Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in der Region Afrin fortsetzen. Die Türkei sehe sich nicht als eine der Kriegsparteien und führe in der nordsyrischen Region Afrin einen Kampf gegen "Terrororganisationen" teilte das Außenministerium in Ankara mit. Ankara reagierte damit auf Äußerungen der Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert. Sie hatte am Dienstag betont, dass die UNO eine Waffenruhe in ganz Syrien forderte, und der Türkei empfohlen, den Resolutionstext noch einmal zu lesen. Heftige Kritik an der Türkei kam auch von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die dem türkischen Militär - und in geringerem Maß auch den kurdischen Volksschutzeinheiten YPG - vorwarf, Angriffe auf Zivilisten auszuüben.

Der UNO-Sicherheitsrat hatte am Samstag einstimmig eine 30-tägige Waffenruhe für das Bürgerkriegsland gefordert. Zudem verlangte das Gremium, dass Helfer Zugang zu belagerten Gebieten bekommen. Allerdings enthält die Resolution keine völkerrechtlich bindenden Druckmittel, um sie durchzusetzen. Zudem erlaubt sie Angriffe auf extremistische Gruppen wie den syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida und lässt somit Schlupflöcher.

Nach Angaben von Aktivsten halten sich in Ost-Ghouta bis zu 600 Kämpfer von Al-Kaida auf, aber auch rund 400.000 Menschen, die hungern und kaum noch medizinisch versorgt werden können.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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