Rund um US-Präsident Trump ist eine Absetzbewegung im Gang. Der Abschied von Wirtschaftsberater Gary Cohn ist der dritte Abgang innerhalb nur einer Woche.
Washington. Der Rücktritt von Wirtschaftsberater Gary Cohn ist der dritte Abschied eines ranghohen Mitarbeiters von Donald Trump innerhalb einer Woche. Der US-Präsident will dennoch kein Chaos in seiner Regierungsmannschaft erkennen, lediglich eine große „Energie“. Allerdings verwenden einige seiner Mitarbeiter diese Energie offenbar vor allem für die Suche nach neuen Arbeitsplätzen: Laut Medienberichten sind weitere Rücktritte zu erwarten.
Erst vorige Woche hatte Trumps Kommunikationschefin Hope Hicks die Kündigung eingereicht, einen Tag nach dem Abschied ihres Stellvertreters, Josh Raffel. Seit Trumps erster Sicherheitsberater, Michael Flynn, schon nach drei Wochen im Amt im vergangenen Jahr die Koffer packen musste, sind im Weißen Haus ein Stabschef, mehrere Chefs der Kommunikationsabteilung plus Stellvertreter, ein Regierungssprecher, ein Chefstratege und eine Vizesicherheitsberaterin entweder entlassen worden oder freiwillig gegangen.
Das rege Kommen und Gehen ist zum Teil eine Folge des Chaos im Präsidialamt, in dem der Alltag von Intrigen geprägt wird. Zum Teil sind die vielen Rücktritte auch die Ergebnisse von Machtkämpfen zwischen Realpolitikern und Populisten, die um die Gunst des Präsidenten buhlen. So galt der Abgang des Chefstrategen Steve Bannon im Sommer als Sieg der Realos, während der Abschied von Wirtschaftsberater Cohn als Triumph der Populisten und Protektionisten eingestuft wird. Zusätzlich kompliziert wird die Lage im Weißen Haus durch die übergeordnete Rolle von Trumps Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner, die als Berater fungieren.
Gegengewicht zu den Protektionisten
Cohn, ein schwerreicher Exchef der Investmentbank Goldman Sachs, bildete als Anhänger des Freihandels bisher ein Gegengewicht zu protektionistischen Mitarbeitern wie Handelsminister Wilbur Ross und Trumps Handelsberater Peter Navarro. In den vergangenen Wochen hatte sich Cohns Niederlage im Streit um Strafzölle auf Stahl und Aluminium abgezeichnet, die von Ross und Navarro gefordert werden. Bei den wichtigsten wirtschaftspolitischen Beratern haben die Populisten jetzt klar die Oberhand.
Trump will die Strafzölle vor allem, um seine rechtsgerichtete Anhängerschaft zu erfreuen, die er im Wahlkampf mit Attacken auf den – angeblich für die USA ungünstigen – Freihandel erfreut hat. Der Präsident kann die Zölle per Erlass und ohne Parlamentsbeschluss jederzeit in Kraft treten lassen, doch auch nach Cohns Rücktritt ist nicht klar, ob, wann und in welcher Form die Einfuhrbeschränkungen umgesetzt werden. Viele Experten warnen, ein Handelskrieg werde der US-Wirtschaft am Ende mehr schaden als nutzen. Wie so häufig sendet Trump in dem Streit widersprüchliche Signale. Einmal gibt er sich unnachgiebig, einmal stellt er Ausnahmen für wichtige Handelspartner wie Mexiko, Kanada und die EU in Aussicht. Im Kongress gibt es Bestrebungen, mögliche Strafzölle per Gesetz wieder zu kassieren.
Nicht nur bei den Strafzöllen gibt es Unklarheiten. Die vielen Personalwechsel in der Regierungszentrale verhindern auch in anderen Bereichen die Ausarbeitung langfristiger Konzepte. In der Nahost-Politik etwa kündigt Trump seit fast einem Jahr einen umfassenden Friedensplan an, der immer noch auf sich warten lässt und zudem durch Einzelaktionen des Präsidenten wie die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt von Israel infrage gestellt wird. Im Korea-Konflikt schwankt Washington zwischen Gesprächsangeboten und Trump'scher Kriegsrhetorik. Der US-Präsident räumt ein, dass er wichtige Entscheidungen vorbereitet, indem er Berater mit grundverschiedenen Auffassungen gegeneinander antreten lässt – wie in einer Fernsehshow. „Ich schaue mir das gern an“, sagte er wenige Stunden vor Cohns Rücktrittserklärung. „Ich liebe Streit.“ Diese Art von Gladiatorenkampf im Oval Office ist jedoch nicht jedermanns Sache.
Mittlerweile sei mindestens ein halbes Dutzend Berater ausgeschieden, die dabei geholfen hätten, Exzesse unter Trump zu verhindern, analysierte die Nachrichtenplattform Axios. Nun erhebt sich angesichts der entstandenen ideologischen Schlagseite die Frage, ob namhafte Gegner der Protektionisten viel Lust auf einen Job im Weißen Haus verspüren. Trump selbst behauptet, er habe keinen Mangel an Kandidaten für Führungspositionen, weil jeder im Weißen Haus arbeiten wolle. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob das stimmt.
AUF EINEN BLICK
Mit Wirtschaftsberater Gary Cohn verlässt ein weiterer Topmitarbeiter das Weiße Haus – nur der jüngste in einer Reihe spektakulärer Abgänge. Vor einer Woche hat Hope Hicks angekündigt, nicht länger als Kommunikationschefin für Donald Trump arbeiten zu wollen. Sie war nach Sean Spicer, Michael Dubke und Anthony Scaramucci die vierte Person auf diesem Posten. Anfang Dezember hat die Vizesicherheitsberaterin Dina Powell dem Präsidenten den Rücken gekehrt. Steve Bannon, Trumps Chefstratege, ging Mitte August, Stabschef Reince Priebus Ende Juli – nur wenige Tage nach Vizepressesprecher Michael Short.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2018)