Italiens Sozialdemokraten rutschen in Krise

Leerer Chefsessel. Matteo Renzis Tage an der Spitze des PD sind gezählt.
Leerer Chefsessel. Matteo Renzis Tage an der Spitze des PD sind gezählt.APA/AFP/ALBERTO PIZZOLI
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Nach Wahlniederlage formiert sich im Partito Democratico Widerstand gegen Nochchef Renzi. Denn er will nur auf Raten zurücktreten und nicht mit der Fünf-Sterne-Bewegung koalieren.

Rom. Matteo Renzi ist verwirrt. „Es wird noch immer gestritten? Ich werde noch immer attackiert?“, schreibt der Nochvorsitzende des noch regierenden Partito Democratico in seinem Newsletter an seine Fans. Nach der Wahlniederlage am Sonntag, bei der die italienischen Sozialdemokraten gerade einmal 18,7 Prozent der Stimmen erringen konnten, hatte Renzi seinen Rücktritt vom Amt des Parteivorsitzenden verkündet – allerdings erst, wenn eine neue Regierung gefunden sei.

Genau dieser Zusatz ist es, der in Italien für Unmut sorgt. „Renzi sitzt in einem Bunker und hat die ganze Partei in Geiselhaft genommen“, meinte beispielsweise der politische Analyst Mario Sechi kurz nach Renzis Ankündigung. Der 43-Jährige verhalte sich absolut kindisch. Andrea Orlando, Vertreter des linken Flügels innerhalb der PD, forderte, die Parteibasis müsse unverzüglich über einen neuen Vorsitzenden entscheiden. Der bisher parteilose Wirtschaftsminister, Carlo Calenda, kündigte vorsorglich schon einmal an, der Partei beizutreten.

Ein Abbild von Martin Schulz

Er wolle den PD doch nur vor einem schweren Fehler bewahren – so begründet Renzi seinen Rücktritt auf Raten. Eine Einigung mit der Fünf-Sterne-Bewegung dürfe es für seine Partei nicht geben. „Wir müssen dahin gehen, wo der Wähler uns haben will – in die Opposition“, sagt Renzi und erinnert damit an ein Abbild des einstigen SPD-Vorsitzenden Martin Schulz. Dieser hatte nach der Bundestagswahl am 24. September nahezu wortgleich und ähnlich theatralisch dieselbe Gangart für seine Partei vorgegeben. Das Ergebnis ist bekannt: Die SPD geht erneut eine Große Koalition in Deutschland ein, Schulz ist Schnee von gestern.

Nach den Wahlen am Sonntag steht Italien vor einer schwierigen Regierungsbildung. Keine Partei und kein Bündnis konnte eine regierungsfähige Mehrheit erlangen. Die stärkste Partei wurde mit 32,7 Prozent die populistische Fünf-Sterne-Bewegung. Nun wird darüber spekuliert, mit wem sich deren Spitzenkandidat, Luigi Di Maio, zusammenschließen wird, um die Regierung des Landes zu übernehmen. Auch über eine Partnerschaft mit der rechten Lega von Matteo Salvini wird spekuliert. Rein rechnerisch wäre auch eine Koalition aus dem Mitte-Rechts-Bündnis, also der Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia, und den Sozialdemokraten möglich.

Die Fünf-Sterne-Bewegung wollte sich bisher weder zu einer linken noch zu einer rechten Politik bekennen. Man mache stattdessen das, was anstehe, ganz ohne eine Ideologie.

Der Partito Democratico hätte mit einem Zusammenschluss die Chance, zumindest im Kleinen die bisherige Reformpolitik weiterzuführen. Doch der Nochparteichef Renzi, der einst als selbst ernannter „Verschrotter“ den alteingesessenen Politikbetrieb aufmischen wollte, sträubt sich mit Händen und Füßen gegen eine Partnerschaft mit der Partei, die heute vorgibt, gegen das politische Establishment zu kämpfen. „Sie haben uns als Mafiosi, als Korrupte beschimpft und behauptet, wir hätten Blut an unseren Händen“, begründet Renzi seine tief sitzende Abneigung. „Deshalb sage ich jetzt: Macht eure Regierung eben allein – wenn ihr dazu denn in der Lage seid.“

Renzi gibt den harten Chef

Innerhalb der Partei wird die Linie Renzis nicht von allen unterstützt. Die PD und die Fünf Sterne seien doch größtenteils aus demselben Stoff gemacht, sagt zum Beispiel Michele Emiliano und plädiert für eine Minderheitsregierung der Bewegung mit Unterstützung seiner Partei. Renzi gibt derweil bis zu seinem tatsächlichen Rücktritt den harten Chef. Wenn es tatsächlich jemanden gebe, der mit der Fünf-Sterne-Bewegung einen Pakt schließen wolle, so der Florentiner, möge derjenige sich am kommenden Montag bei einer Vorstandssitzung der Partei offiziell äußern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2018)

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