Russland gibt Großbritannien Mitschuld an Vergiftung von Ex-Agent

Ein Schutzzelt über einer Parkbank in Salisbury.
Ein Schutzzelt über einer Parkbank in Salisbury.APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
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Der britische Außenminister bekräftigte die Vorwürfe gegen Russland und verglich Putin mit Hitler. Russland ortet einen möglichen britischen Angriff auf Skripals Tochter.

Russland hat Großbritannien eine Mitschuld an der Vergiftung des früheren Doppelagenten Sergej Skripal gegeben. Außenamtsvertreter Wladimir Jermakow sagte am Mittwoch vor Diplomaten in Moskau, London habe den "Terrorangriff" nicht verhindert oder womöglich sogar selbst gesteuert.

Der britische Außenminister Boris Johnson zeigte sich dagegen überzeugt, dass hinter dem Giftanschlag auf den ehemaligen russischen Spion eine Warnung Moskaus an mögliche Überläufer steht.

Entweder seien die britischen Behörden "unfähig", einen russischen Staatsbürger vor einer "Terrorattacke" auf ihrem Staatsgebiet zu schützen - oder sie hätten "direkt oder indirekt (...) den Angriff auf einen russischen Staatsbürger gesteuert", sagte Jermakow. Er wolle allerdings "nichts und niemanden beschuldigen".

"Hätte unvermeidlich viele Todesopfer gegeben"

Jermakow, der im russischen Außenministerium die Abteilung für Rüstungskontrolle leitet, bezweifelte, dass bei dem Anschlag auf Skripal ein Nowitschok-Nervengift zum Einsatz kam. Bei der Verwendung eines militärischen Gifts hätte es "unvermeidlich" viele Todesopfer am Tatort gegeben, sagte er. "Aber das Bild, das sich in Salisbury bietet, ist ein ganz anderes."

Jermakow äußerte sich bei einem von der russischen Regierung anberaumten Treffen, bei dem Moskau vor ausländischen Diplomaten seine Sicht auf den Fall Skripal darlegte. Als ihn eine britische Diplomatin auf mögliche russische Chemiewaffenprogramme ansprach, warf er Großbritannien "Russlandfeindlichkeit" vor. "Legen Sie ihre Russophobie ein bisschen ab, ihre Inselmentalität", sagte er.

Die britische Regierung macht Russland für den Giftanschlag auf Skripal und seine Tochter Julia am 4. März in Salisbury verantwortlich und geht davon aus, dass dabei ein Gift der Nowitschok-Gruppe aus sowjetischer Produktion zum Einsatz kam. Russland weist dies von sich und bestreitet auch die Herstellung von Nowitschok. Am Anschlagsort Salisbury begannen Inspektoren der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) damit, Spuren zu sichern.

Großbritannien, ein Land mit "diesen besonderen Werten"

Johnson bekräftigte vor einem Parlamentsausschuss in London, dass die britische Regierung den Kreml für die Vergiftung verantwortlich macht. Der russische Präsident Wladimir Putin oder der russische Staat hätten mit dem Angriff folgende Botschaft an potenzielle abtrünnige Agenten übermitteln wollen: "Das passiert euch, wenn ihr entscheidet, ein anderes Land mit anderen Werten so wie unsere (die Großbritanniens) zu unterstützen. Dann könnt ihr erwarten, ermordet zu werden."

Es sei "sehr einfach" zu erklären, warum das Vereinigte Königreich ausgewählt worden sei. Es sei ein Land "mit diesen besonderen Werten, es glaubt an die Freiheit und an die Demokratie und an den Rechtsstaat", und es habe Russland immer wieder mit dessen Verletzung dieser Werte konfrontiert. "Wir haben es auf dem Westbalkan gesehen, wir haben es im Baltikum gesehen, wir haben es bei dem gesehen, was mit Duldung der Russen in Syrien passiert", fügte Johnson hinzu.

Der britische Außenminister schlug zudem einen Bogen zur russischen Präsidentschaftswahl am vergangenen Sonntag, die Putin mit 76,7 Prozent der Stimmen gewonnen hatte. Viele "nicht-demokratische Figuren" würden angesichts "einer Wahl oder einem entscheidenden politischen Moment" den äußeren Feind beschwören, um das Volk hinter sich zu vereinen. Er warf dem russischen Präsidenten vor, er wolle mit der Fußball-WM im Sommer das Image seines Landes aufpolieren wie es Adolf Hitler 1936 mit den Olympischen Spielen getan habe. Einen Boykott des Turniers, das im Juni und Juli in Russland stattfindet, schloss er aber aus.

Das russische Außenministerium kritisierte Johnson scharf. "Solche Parallelen und Vergleiche unseres Landes (mit Nazi-Deutschland) (...) sind prinzipiell nicht hinnehmbar und eines Außenministers eines europäischen Staates nicht würdig", kommentierte Sprecherin Maria Sacharowa. Russland habe im Zweiten Weltkrieg Millionen Menschenleben gegeben und Europa befreit, schrieb sie bei Facebook.

Tusk will nicht gratulieren

Auch der EU-Gipfel wird sich am Donnerstag mit dem Giftanschlag befassen. Es wird erwartet, dass die Staats- und Regierungschefs wie die Außenminister am Montag Großbritannien ihre Solidarität bekunden werden, eine geplante Erklärung aber keine direkte Schuldzuweisung an Russland enthalten wird.

EU-Ratspräsident Donald Tusk verweigerte Putin angesichts des Giftanschlags Glückwünsche zur Wiederwahl. "Nach dem Salisbury-Anschlag bin ich nicht in der Stimmung, die Wiederernennung von Präsident Putin zu feiern", sagte der Pole am Mittwoch.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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