Wie Trump sein eigenes Militär überrumpelte

REUTERS/Nick Wilson/U.S. Air Force/Handout
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Als der US-Präsident am Mittwoch tönte, in Kürze würden Raketen Syrien erreichen, war die militärische Basis dafür eigentlich recht dünn.

Washington/London/Paris. Donald Trumps Androhung von Militärschlägen gegen das Assad-Regime in Damaskus dürfte das Pentagon doch einigermaßen unvorbereitet getroffen haben: Die militärischen Kapazitäten speziell der USA dafür in der Region sind nämlich gerade relativ begrenzt.

Die US-Marine etwa hat erst am Mittwoch den Flugzeugträger USS Harry S. Truman vom Heimathafen Norfolk (Virginia) in die Krisenregion in Gang gesetzt – er dürfte mit seinen rund 80 Flugzeugen an Bord und einem halben Dutzend Begleitschiffen frühestens nächstes Wochenende das östliche Mittelmeer erreichen. Alle anderen zehn Supercarrier der USA sind im Pazifik oder in ihren Heimatbasen in den USA. Sogar der Persische Golf ist aktuell frei von US-Trägern, jenem größten militärischen Machtprojektionsmittel der Vereinigten Staaten.

Hingegen stand am Donnerstag erst ein einziger US-Zerstörer, die USS Donald Cook, vor Syrien. Ein weiterer fährt gerade von Spanien heran und dürfte am Wochenende eintreffen, während sich zwei Zerstörer vor wenigen Tagen noch vor Djibouti bzw. im Atlantik vor Südwestfrankreich befunden hatten. Auf jedem sind etwa 60 Tomahawk-Marschflugkörper, die Landziele treffen können. Ziemlich sicher ist mindestens ein U-Boot der US Navy im östlichen Mittelmeer. Sollte es eines der Los-Angeles-Klasse sein, kämen darauf 25 bis 37 weitere Tomahawks in die Kräftewaagschale. Es könnte aber auch eines der speziell für konventionelle Landangriffe ausgelegten Boote der ursprünglich atomar bewaffneten Ohio-Klasse sein: Das würde 154 weitere Marschflugkörper bedeuten.

Wichtige Basis auf Zypern

Andererseits könnten die USA auch landgestützte Flugzeuge einsetzen, die, um die Flugabwehr zu vermeiden, vorwiegend ebenfalls mit Distanzwaffen über Hunderte Kilometer feuern würden. Eine unbekannte Zahl Jets ist auf Basen in der Region stationiert, wie in Katar, Bahrain, Jordanien, Kuwait, im Irak (auch in der Türkei, aber da stellt sich die Frage der Startfreigabe). Auch Drohnen würden wohl fliegen. Strategische Bomber B-2 Spirit könnten ihre Angriffe direkt von ihren Basen in Missouri aus fliegen.

Mindestens acht Tornado-Jagdbomber und mehrere Eurofighter Typhoon hat die Royal Air Force auf der Basis Akrotiri auf Zypern zusammengezogen. Die Royal Navy soll zwei U-Boote der Astute- oder Trafalgar-Klasse herangebracht haben; auf die Astute passen 38 Tomahawks, auf die Trafalgar-Boote 30. Zudem liegt der Zerstörer HMS Duncan in der Ägäis, er besitzt aber keine weitreichenden Waffen gegen Landziele.

Frankreich hat die Fregatte Aquitaine mit 16 Scalp-Marschflugkörpern vor dem Libanon; der Flugzeugträger Charles de Gaulle wird allerdings gerade in Toulon überholt, und seine Fliegerstaffel ist auf Manöver in den USA. Allerdings ist Frankreichs Luftwaffe in Jordanien und den Arabischen Emiraten präsent und könnte auch aus Südfrankreich direkt mit Luftbetankung operieren.

Syriens Militär sucht Schutz bei Russen

Die syrischen Truppen bereiten sich unterdessen auf einen Angriff vor. Sie räumen Stützpunkte und schaffen Militärgerät, etwa Hubschrauber und Panzer, auf die russische Basis nahe Latakia – im Vertrauen darauf, dass der Westen russische Ziele in Syrien nicht ins Visier nimmt.

Die Strategen im Pentagon waren jedenfalls unglücklich über die via Twitter angekündigte „Kriegserklärung“ ihres Präsidenten vom Mittwoch. Dies widersprach jedweder Taktik, den Feind im Unklaren zu lassen und den Überraschungseffekt zu nützen. James Mattis, der Verteidigungsminister, hatte mit Trump und dessen Kabinett noch am Dienstag Szenarien gewälzt, ehe der Präsident vorpreschte. Mattis versucht jetzt, die wahren Absichten zu verschleiern.

Man sei noch dabei, die Indizien für einen Giftgasangriff zu prüfen und sich dazu mit Verbündeten abzustimmen. Für Emmanuel Macron, den französischen Staatschef, besteht indes kein Zweifel daran, dass Bashar al-Assad neuerlich Chemiewaffen gegen die Bevölkerung zum Einsatz brachte. In einem Interview bekräftigte er: „Wir haben den Beweis.“

TV: Giftgasnachweis in Blutproben

Am Abend berichtete auch der Fernsehsender MSNBC von Beweisen für einen Giftgasangriff. Urin- und Blutproben von Opfern seien positiv auf Chlorgas und in einigen Fällen auf Nervengift getestet worden, so der TV-Sender. Experten der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen OPCW waren am Donnerstag bereits auf dem Weg nach Syrien. Dort wollen sie am Samstag ihre Arbeit aufnehmen. US-Verteidigungsminister Mattis verspricht sich davon aber offenbar wenig Erfolg: „Von diesem Untersuchungsteam werden wir nicht erfahren, wer es getan hat.“ Die Bestätigung eines Chemiewaffeneinsatzes werde von Tag zu Tag schwieriger, weil sich Chlorgas verflüchtige.

In London rief Premierministerin Theresa May ihr Kabinett zusammen. Auch hier ging es um eine Koordination für eine konzertierte Militäraktion. Deutschlands Bundeskanzlerin, Angela Merkel, erklärte hingegen, man werde sich nicht an einer Militäraktion beteiligen.

Ein Zeitpunkt für den Angriff bleibt weiterhin offen. Auch nach einem Treffen Donald Trumps mit seinen Beratern für Nationale Sicherheit sei kein endgültiger Beschluss gefällt worden, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses. Die US-Regierung werte weiter Geheimdiensterkenntnisse aus und führe Gespräche mit Partnern sowie Verbündeten. Längst ist Trumps Frist von „24 bis 48 Stunden“ vom Montag abgelaufen war. Auch auf Twitter gab er  sich auf Twitter ungewohnt kryptisch: „Es kann sehr bald oder gar nicht bald sein.“

("Die Presse"-Printausgabe, 13.4.2018)

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