Erweiterungspolitik

EU-Mitgliedschaft bleibt für Türkei ausgeschlossen

Ist die Türkei Teil Europas?
Ist die Türkei Teil Europas? (c) APA/AFP/OZAN KOSE
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Kein Mitgliedstaat bemüht sich mehr um die Beitrittsgespräche mit Ankara. Abseits davon schlägt die Kommission erwartungsgemäß vor, Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien zu beginnen.

Brüssel. Ist die Türkei Teil Europas? Hat sie eine Zukunft in der Europäischen Union? An dieser Schlüsselfrage haben sich mehrere Generationen europäischer Politiker die Finger verbrannt, seit Ankara im April 1987 den Antrag auf Aufnahme in die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gestellt hat. Federica Mogherini, die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, ist schlau genug, nicht in diese Falle zu tappen, die sich ihr am Dienstag im Europaparlament in Straßburg durch die Frage eines türkischen Journalisten öffnete. „Unsere Beziehungen mit der Türkei sind komplexer als die reine Erweiterungsagenda“, sagte Mogherini, um die sich hartnäckig das Gerücht rankt, sie wolle bei den Europawahlen im nächsten Jahr als Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten antreten. Die Türkei sei „ein wichtiger regionaler Sicherheitspartner“, doch habe die Union nicht vor, neue Verhandlungskapitel zu öffnen. Dann drehte Mogherini den Spieß um und fragte den Journalisten ihrerseits: „Ich wäre übrigens interessiert, welche Antwort Sie dieser Tage auf diese Frage in Ankara bekommen würden. Eine Partnerschaft umfasst stets zwei Seiten.“

Im Tiefkühlfach

Somit wäre die Frage, wie es sich mit der Türkei und ihrer „Beitrittsperspektive“ verhält, abschließend erledigt: Es gibt sie auf unbestimmte Zeit nicht. „Unsere Analyse zeigt leider, dass das Land weiterhin große Schritte weg von der EU setzt“, erklärte Johannes Hahn, der für Erweiterung und Nachbarschaftspolitik zuständige Kommissar. Nachsatz: „Die Türkei ist und bleibt strategischer Schlüsselpartner.“ Das ist die verklausulierte Formel dafür, dass das Regime unter dem autokratischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, die Europäer damit unter Druck setzt, nach Belieben den Zustrom von syrischen Flüchtlingen in die wirtschaftlich und politisch fragile Südostflanke der Union zu regulieren.

Der Beitrittsprozess (von Verhandlungen im eigentlichen Wortsinn kann seit Jahren nicht mehr die Rede sein) liegt, sprichwörtlich ausgedrückt, im Tiefkühlfach. Auch seitens zahlreicher nationaler Regierungen in der Union gibt es kein Interesse, sie aufzutauen. „Keine Kapitel schließen und keine neuen öffnen“, heißt es im deutschen Koalitionsvertrag von SPD und CDU/CSU. Visa-Liberalisierung oder eine Erweiterung der Zollunion ist erst dann möglich, wenn die Türkei die notwendigen Voraussetzungen erfüllt.“ Noch deutlicher ist das Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ: „Keine Zustimmung zu einem EU-Beitritt der Türkei. Verbündete zur Erreichung des endgültigen Abbruchs der EU-Beitrittsverhandlungen zugunsten eines europäisch-türkischen Nachbarschaftskonzeptes werden gesucht.“ Auch das niederländische Regierungsabkommen spricht nur von einem neuen Verhältnis gegenüber Ankara.

Lohn für Tirana und Skopje

Die Kommission empfahl ebenfalls am Dienstag, Beitrittsgespräche mit Albanien und Mazedonien zu eröffnen. „Erweiterung ist nicht Sozialarbeit. Es geht nicht darum, unseren Partnern einen Gefallen zu tun“, wendete Hahn ein. „Das liegt in unserem eigenen Interesse. Die hohe Arbeitslosenrate der jungen Menschen dort ist Grund zur Sorge. Wenn das nicht angesprochen wird, sind sie die ersten Kandidaten für Radikalisierung.“ Doch auch hier liegt die Entscheidung nicht in Brüssel, sondern in den nationalen Hauptstädten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2018)

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