Schwarze Kassen: Spaniens Premier Rajoy bangt um sein Amt

Regierungschef Mariano Rajoy
Regierungschef Mariano RajoyREUTERS
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Ein Korruptionsskandal erschüttert die Konservativen in Madrid. Die Opposition will deren Chef nun mit einem Misstrauensantrag aus dem Amt fegen.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy gerät wegen einer Korruptionsaffäre seiner Partei zunehmend in die Bredouille. Die oppositionellen Sozialisten (PSOE) kündigten am Freitag ein Misstrauensvotum im Parlament an, während Rajoys bisherige Verbündete, die liberalen Ciudadanos, Neuwahlen forderten. Andernfalls würden auch sie einen Misstrauensantrag stellen.

Rajoy kritisierte den Misstrauensantrag scharf. "Das ist schlecht für Spanien und schlecht für die Spanier und erzeugt nur Unsicherheit", sagte der 63-Jährige am Freitag vor Journalisten. Das Misstrauensvotum würde sich gegen die politische Stabilität und die wirtschaftliche Erholung Spaniens wenden. Die PSOE hätten den Antrag in einem extrem schwierigen Moment für das Land gestellt, betonte Rajoy im Hinblick auf die Katalonien-Krise. Einziges Ziel sei es, PSOE-Chef Pedro Sánchez um jeden Preis an die Macht zu bringen. Rajoy lehnte außerdem Neuwahlen ab.

Unklar ist, ob Rajoys Gegner im Parlament genügend Stimmen zusammenbekommen und wann das Votum stattfinden soll. Rajoys Volkspartei (PP) verfügt nicht über die absolute Mehrheit, so dass Sozialisten und Ciudadanos ("Bürger") gemeinsam mit der populistischen Podemos den 63-Jährigen stürzen könnten. Der Aktienmarkt in Madrid gab als Reaktion nach. Die Renditen spanischer Staatsanleihen stiegen.

Rajoy steht seit Monaten auch wegen der Krise in Katalonien unter Druck. Dort kämpft eine Unabhängigkeitsbewegung für eine Loslösung von Spanien. Auslöser der jetzigen Turbulenzen war die Verurteilung des früheren PP-Schatzmeisters Luis Barcenas zu 33 Jahren Haft. Ihm werden Geldwäsche, persönliche Bereicherung und Steuerstraftaten zur Last gelegt. Die Taten stehen mit schwarzen Kassen im Zusammenhang, die die Partei in den 90er und frühen 2000er-Jahren für Wahlkämpfe nutzte. Insgesamt gab es am Donnerstag 29 Verurteilungen, darunter ehemalige Führungskräfte der PP, wegen Korruption, Unterschlagung, Geldwäsche und illegaler Bereicherung zu insgesamt 351 Jahren Gefängnis im Prozess rund um den als "Operación Gürtel" bekannt gewordenen Skandal.

Der nationale Strafgerichtshof hatte Rajoys konservative Volkspartei am Donnerstag wegen Verwicklung in die Affäre zu einer Geldstrafe von 245.000 Euro verurteilt. Die PP kündigte an, dagegen Berufung einzulegen. Rajoy räumte aber selbst ein, dass die Affäre seiner Partei "großen Schaden" zugefügt habe.

Das Gericht äußerte am Donnerstag Zweifel an der Zeugenaussage des studierten Juristen, wonach es keine schwarzen Kassen gab. Rajoy war in dem Verfahren im vergangenen Juli selbst als Zeuge vernommen worden. Der Politiker war der erste amtierende Regierungschef, der in Spanien in den Zeugenstand musste. Rajoy bestritt dabei, von den illegalen Finanzierungen seiner Partei gewusst zu haben. Er habe sich nie um Fragen der Buchhaltung gekümmert, sagte er. Wenige Stunden vor dem Urteil vom Donnerstag hatte Rajoy angedeutet, dass er bei der Parlamentswahl 2020 erneut antreten will. Viele Experten gehen inzwischen aber davon aus, dass er eine Rebellion in seiner eigenen Partei fürchten muss.

Die Ciudadanos sind zwar nicht Teil der Regierung, unterstützten aber die Konservativen bisher. So gelang es mit ihrer Hilfe, am Mittwoch das Budgetgesetz durchs Parlament zu bringen. Der hochrangige Ciudadanos-Vertreter Jose Manuel Villegas sagte nun auf einer Pressekonferenz: "Wenn Rajoy nicht Neuwahlen ausruft, sind wir zu einem Misstrauensantrag bereit, um Wahlen abzuhalten." Die Sozialisten setzen auf eine umgekehrte Reihenfolge: Sie wollen Rajoy stürzen, eine Übergangsregierung bilden und so schnell wie möglich Neuwahlen ansetzen, wie Parteichef Sanchez auf einer Pressekonferenz ankündigte.

Die Sozialisten hatten nach monatelanger politischer Blockade im Oktober 2016 durch ihre Stimmenthaltung bei einer Vertrauensabstimmung den Weg für Rajoys Minderheitsregierung freigemacht.

Die Finanzmärkte reagierten auf die Entwicklungen verschreckt. Der Ibex-Index gab bis zum frühen Nachmittag 1,8 Prozent ab. Zugleich verbilligten sich spanische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit um ein Prozent.

Mit Italien und jetzt auch Spanien geraten die Länder mit den dritt- und viertgrößten Volkswirtschaften der Eurozone in Turbulenzen. In Rom wollen die populistischen Parteien 5 Sterne und Lega eine Koalition bilden. Sie wollen höhere Sozialausgaben, Steuersenkungen und eine Rücknahme der Pensionsreform, was viele Milliarden Euro kosten würde.

(APA)

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