Attentat mitten in Kiew: Wer erschoss russischen Journalisten Babtschenko?

APA/AFP/UNIAN/INNA SOKOLOVSKA
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Die Ukraine macht für den Mord an dem bekannten Kremlkritiker die "totalitäre Maschinerie" Russlands verantwortlich. Moskau spricht von einer anti-russichen Kampagne.

Russland hat eine Verwicklung in den gewaltsamen Tod des Kreml-kritischen Journalisten Arkadi Babtschenko in der Ukraine zurückgewiesen. Vorwürfe dieser Art seien der "Gipfel des Zynismus", sagte der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Dmitri Peskow, am Mittwoch in Moskau. Babtschenko war am Dienstag in Kiew erschossen worden. Die Polizei geht von einem Mord aus.

Der 41-Jährige sei vermutlich aufgrund seiner Arbeit als Kriegskorrespondent umgebracht worden, hieß es von Seiten der Polizei. Die Ukraine macht Russland für den Mord verantwortlich. Babtschenko hatte sich aus Russland abgesetzt, weil er nach eigenen Angaben um sein Leben fürchtete, nachdem er die Ukraine- und Syrien-Politik Moskaus kritisiert hatte.

Peskow forderte die ukrainischen Behörden auf, objektive Ermittlungen in dem Fall einzuleiten, um das Land für Journalisten sicher zu machen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hält die Vorhaltungen gegen Russland laut Nachrichtenagentur Tass für eine Kampagne. Auch der Chef des russischen Geheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, nannte die Vorwürfe Unsinn und eine Provokation, wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete.

Der ukrainische Ministerpräsident Wolodimir Groisman hatte am Dienstagabend in den sozialen Medien geschrieben, er sei überzeugt, dass "Russlands totalitäre Maschinerie" Babtschenko nicht verziehen habe. Auch Großbritannien forderte Aufklärung. Außenminister Boris Johnson erklärte über Twitter: "Wir müssen die Redefreiheit schützen, und es ist unerlässlich, dass die Verantwortlichen jetzt zur Rechenschaft gezogen werden."

Der Tatort.
Der Tatort.imago/ZUMA Press

Babtschenko hielt sich seit rund einem Jahr in der Ukraine auf; er bewohnte eine Wohnung in einem Kiewer Plattenbaubezirk und war für den krimtatarischen Sender ATR tätig. Zwischenzeitlich hatte er sich in Prag aufgehalten, war aber aus freien Stücken in die Ukraine zurückgekehrt. Harsche Kritik in seiner Heimat hatte vor allem seine Ablehnung der russischen Militärintervention in Syrien hervorgerufen.

In einem Artikel im britischen "Guardian" vom Februar 2017 erzählt er von seinem "unpatriotischen Posting" auf Facebook, das ihn zur Flucht gezwungen habe. Babtschenko war ein Gegner der russischen Intervention in Syrien. Als er anlässlich des Absturzes eines Flugzeuges im Schwarzen Meer im Dezember 2016, das ein Militärchorchestor in das Bürgerkriegsland transportieren sollte, seine "Gleichgültigkeit" angesichts der russischen Toten ausgedrückt habe, sei eine Kampagne gegen ihn losgetreten worden. Babtschenko fürchtete um sein Leben; er verließ Russland.

Aufklärung gefordert

Der Beauftragte für Medienfreiheit der OSZE, Harlem Désir, verurteilte den Mord an Babtschenko scharf und forderte Aufklärung von den ukrainischen Behörden. Der Mord an dem russischen Journalisten ist bereits der zweite hochrangige Anschlag gegen Journalisten in weniger als zwei Jahren. Am 20. Juli 2016 wurde der aus Belarus gebürtige Journalist Pawlo Scheremet Opfer einer Autobombe. Die Verantwortlichen sind noch immer flüchtig.

Im UN-Sicherheitsrat kam es nach dem Mord zu einem Schlagabtausch zwischen Russland und der Ukraine. Der russische UN-Botschafter Wassilij Nebensja kritisierte, dass in der Ukraine Journalisten nicht mehr sicher seien und die Meinungsfreiheit nicht geachtet würde. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin entgegnete, es sei noch früh, Rückschlüsse auf die Täter zu ziehen; jedoch gehöre die gewaltsame Ausschaltung politischer Gegner zu den Taktiken der Russischen Föderation, um die Ukraine zu destabilisieren.

Babtschenkos letzter Eintrag auf Twitter vom Dienstag handelte von seinem "zweiten Geburtstag": Der Journalist erzählt darin eine Anekdote, wie ein ukrainischer General ihn vor vier genau Jahren - zu Beginn des Krieges in der Ostukraine - nicht auf einen Helikopter-Flug mitnehmen wollte. Diese Absage sei sein Glück gewesen, denn der Hubschrauber wurde kurz darauf von der Gegenseite abgeschossen. 14 Menschen starben. Nur ein paar Stunden nach seinem letzten Online-Eintrag wurde Arkadi Babtschenko gewaltsam aus dem Leben gerissen.

(ag./som)

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