Golan: Kommission entlastet UNO-Soldaten

Ein verstörendes Video dokumentiert, wie Rebellen eine syrische Militärpolizeistreife angreifen. Neun Polizisten sterben.
Ein verstörendes Video dokumentiert, wie Rebellen eine syrische Militärpolizeistreife angreifen. Neun Polizisten sterben. (c) Falter
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Die österreichischen Soldaten hätten neun syrische Militärpolizisten, die in einen Hinterhalt fuhren, nicht warnen dürfen, befindet eine Kommission des Verteidigungsministeriums.

Wien. Neun syrische Geheimpolizisten sind 2012 vor den Augen österreichischer UNO-Soldaten in einen Hinterhalt gelockt und ermordet worden. Hätten die Österreicher das verhindern können oder müssen? Nein, sagt eine Untersuchungskommission des Bundesheers, die nach Auftauchen eines Videos zu dem Vorfall eingesetzt wurde. Das Verhalten der Soldaten entsprach der für sie geltenden Auftrags- und Weisungslage und war somit mandatskonform, so die Einschätzung der Kommission.

1 Unter welchen Rahmenbedingungen fand der Einsatz statt?

2012 erreichte der syrische Bürgerkrieg auch die von den UNO-Soldaten kontrollierte Zone am Golan. Unterschiedliche Gruppierungen bekämpften einander und auch die syrische Armee und Polizei. Die UNO, die am Golan nur eine beobachtende Funktion hat und nur leichte Bewaffnung zum Selbstschutz besitzt, verhielt sich nicht nur gegenüber den Streitparteien Israel und Syrien, sondern auch gegenüber den Bürgerkriegsparteien neutral. Aus dieser Zeit bis zum Abzug der österreichischen Truppen 2013 häuften sich Berichte über kriegerische Handlungen, der jetzt bekannt gewordene Vorfall war nur einer von vielen. So gibt es Berichte, wonach die UNO-Soldaten sich während eines Gefechts im Bunker verschanzt und danach abgeschnittene Köpfe vorgefunden haben.

2 Was passierte genau am 29. September 2012?

Österreichische Soldaten beobachteten, wie im Gebirge ein Hinterhalt aufgebaut wurde. Eine syrische Militärstreife, die ungewöhnlich stark bewaffnet war und offensichtlich Ausschau nach den Rebellen hielt, fuhr an diesem Hinterhalt vorbei zum österreichischen Posten, wechselte einige Worte mit den Soldaten und fuhr zurück in den Hinterhalt, wo in einem mehrstündigen Gefecht alle neun Soldaten erschossen wurden.

3 Hätten die Österreicher die Militärpolizisten warnen müssen?

Die Österreicher hätten die „Pflicht“ gehabt, die Syrer zu warnen. Schlimmstenfalls könnten sie sich der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht haben, urteilte der Völkerrechtler Manfred Nowak bei Bekanntwerden des Videos. Dem widerspricht die Bundesheer-Kommission, der mit Sigmar Stadlmeier auch ein Völkerrechtsexperte angehört. Man habe die Unabhängigkeit gegenüber allen Parteien wahren müssen, schon aus Selbstschutz, um nicht in die kriegerischen Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden. Die UNO-Mission sei nur möglich gewesen, „wenn ihre Anwesenheit von allen Akteuren im Raum toleriert wird“. Außerdem hätte durch eine Warnung das Feuergefecht nicht verhindert werden können – es hätte nur vielleicht einen anderen Ausgang genommen.

Die österreichischen Soldaten hatten jedenfalls den ausdrücklichen Befehl, nicht einzugreifen. Der österreichische Postenkommandant hat trotzdem versucht, die Syrer mit den Worten „take care, take care“ zu warnen, wie Tonbandaufzeichnungen belegen. Damit habe er „das Maximum seiner Handlungsfreiheit genutzt“, so der Kommissionsvorsitzende, Herbert Walzer. Sowohl das Verhalten der Soldaten als auch die Aufnahme des Feuergefechts wird von der Kommission für in Ordnung befunden. Kritisiert wird lediglich die zynische Kommentierung. Der betreffende Soldat habe sich dafür entschuldigt.

4 Was hat der Verteidigungsminister im Jahr 2012 gewusst?

Norbert Darabos will über den Vorfall nicht informiert gewesen sein. Laut Kommissionsbericht habe es aber sehr wohl eine Information an das Bundesheer gegeben, die auch an das Ministerbüro weitergeleitet wurde. Diese sei aber nicht detailliert gewesen. Vorwürfe gegen Darabos werden nicht erhoben. Auch der Abzug der österreichischen Soldaten im Juli 2013 ist nicht auf dieses Ereignis zurückzuführen, sondern auf eine ganze Reihe ähnlicher Vorfälle.

5 Welche Folgen hat der Bericht der Untersuchungskommission?

Vorerst keine, es handelt sich um eine interne Untersuchung des Bundesheers, die auch der Staatsanwaltschaft übermittelt wird. Deren Ermittlungen laufen weiter und können auch zu anderen Ergebnissen führen.

Der Generalsekretär des Verteidigungsministeriums, Wolfgang Baumann, will als Konsequenz eine bessere psychologische Testung der Teilnehmer an UNO-Einsätzen und auch eine Nachbereitung der Einsätze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2018)

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