Markus Söder: „Wer will schon Berliner Verhältnisse?“

Seit 100 Tagen Ministerpräsident: Markus Söder.
Seit 100 Tagen Ministerpräsident: Markus Söder. (c) APA/dpa/Peter Kneffel
  • Drucken

Markus Söder will die Absolute halten – koste es, was es wolle: die Regierung, die Union, das Amt von Seehofer. Bei der Landtagswahl gibt es für die CSU zwei Gegner. Einer davon steht am Stimmzettel, der andere spielt mit dem Gedanken.

Berlin. Eitelkeiten? Wahlkampfgetöse? Rechthaberei? Darum gehe es Markus Söder nicht, schreibt ein Kommentator am Freitag in der „Welt“. Der bayerische Ministerpräsident sorge sich vielmehr um „die Zukunft der Demokratie und der bürgerlichen Volksparteien“. „Ohne die klare Haltung der CSU und der Bayerischen Staatsregierung würde sich in Europa nichts bewegen.“ Was es nun brauche, seien Macher, nicht Mahner.

Der Autor des Textes ist ein gewisser Markus Söder. Bis zum nächsten planmäßigen Treffen der CSU mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bleibt noch etwas Zeit. Und die wollen die Christsozialen nutzen, um ihre Argumente im Streit mit der Union noch einmal deutlich vorzutragen. In schriftlicher Form, wie in dem Gastbeitrag. Aber auch mündlich bei einer Pressekonferenz: „Ein bisschen ist Bayern ja das Gegenstück zu Berlin“, sagt Söder. Während in der Bundeshauptstadt die Koalition nicht wirklich vorankomme, könne man in München die Regierungsvorhaben der Reihe nach abarbeiten. Ein Anliegen sei nach wie vor, an der Grenze strikter vorzugehen: Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, sollen nicht einreisen dürfen.

Dass Merkel diese Forderung nur umsetzen will, wenn sie mit den betroffenen Ländern Rückführungsabkommen geschlossen hat, interessiert Söder weniger. Er hat ein klares Ziel vor Augen: die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl am 14. Oktober. Doch aktuelle Umfragen zeigen, dass es dieses Mal schwierig werden könnte. Schuld daran ist auch die Alternative für Deutschland, die den Christsozialen wichtige Prozentpunkte beim Wahlergebnis kosten könnten.

Söder: „Die AfD ist in Berlin entstanden“

Das gibt auch Söder zu: „Die größte Herausforderung für uns alle wird die AfD sein.“ Verantwortlich dafür sei allerdings nicht die CSU. Welche Partei er dann beschuldigt, sagt Seehofer nicht direkt, aber er nennt eine Stadt: „Die AfD ist in Berlin entstanden. Und wer will schon Berliner Verhältnisse in Bayern?“

Söders Parteichef, Bundesinnenminister Horst Seehofer, wird in der „Passauer Neuen Presse“ noch deutlicher. Er sehe, dass es auf internationaler Ebene erste Einigungen beim Grenzschutz gebe. Und er wisse auch, wer dafür verantwortlich sei: „Ich bin froh, dass ich die Europäische Union wachgeküsst habe.“ Sollte Merkel allerdings keine bilateralen Verträge abschließen können, werde die Polizei in Bayern trotzdem aktiv werden. Dass er dadurch seinen Job verlieren könnte, glaube er nicht: „Wenn man mit dieser Begründung einen Minister entließe, der sich um die Sicherheit und Ordnung seines Landes sorgt und kümmert, wäre das eine weltweite Uraufführung. Wo sind wir denn?“

Die Frage ist rhetorisch gemeint, um sie aber trotzdem zu beantworten: In Deutschland, wo die Bundeskanzlerin nach wie vor eine Richtlinienkompetenz hat und Minister für ihr Kabinett vorschlagen kann. Handelt der Innenminister gegen ihren Willen, könnte sie ihn also entlassen. Seehofer würde dann ohne Funktion dastehen, sein vorheriges Amt in Bayern hat seit hundert Tagen jemand anderer übernommen. Es ist schon wieder Markus Söder.

Erste Pläne für ein Ende der Union

Auch im Bundestag hätte Seehofer keinen Sitz. Der dortige Landesgruppenchef, Alexander Dobrindt, schließt im „Spiegel“ einen Bruch der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU nicht mehr aus. Spätestens nach dem EU-Gipfel in der kommenden Woche sollte die Entscheidung über die Zukunft der Union fallen: Dann will Merkel ihre Ergebnisse der bilateralen Verhandlungen vorlegen.

Nicht nur die CSU, auch die Christdemokraten bereiten sich auf eine Trennung vor: Der CDU-Arbeitnehmerflügel fordert die Bundespartei bereits auf, einen Antritt bei der bayerischen Wahl vorzubereiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Andrea Nahles
Außenpolitik

SPD bereitet sich auf mögliche Neuwahlen vor

Der Geschwisterstreit CDU und CSU muss ja nicht gut enden: Koalitionspartner SPD führte intern schon Gespräche für den Fall, dass die Regierung scheitert. Das berichtet "Der Spiegel".
Seehofer warnt Merkel, ihn zu entlassen.
Außenpolitik

Seehofer: "Ich habe die EU wachgeküsst"

Der CSU-Chef und Innenminister warnt Kanzlerin Angela Merkel vor seiner Entlassung. Das wäre dann das Ende der Koalition, deutet Horst Seehofer an.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.